Sauer macht lustig!

Bismarckhering, eingelegt, Zwiebeln, weiße Schale
Um den Fisch ranken sich viele Mythen und Legenden – schade, dass er uns nicht selbst verraten kann, wieso er den Namen des so berühmten Reichskanzlers trägt. Denn wie eine Speise der Adeligen sieht das Fischfilet nicht gerade aus: In Essigmarinade eingelegt und mit Senfkörnern, Zwiebeln, Lorbeerblättern und etwas Öl gewürzt, kommt der Bismarck-Hering doch recht bodenständig daher.
 

Ein Name mit Promi-Faktor

Geehrt wird indessen sein Namensgeber, Otto von Bismarck. Der lebte von 1815 bis 1898 und legte eine steile Karriere hin: Als bürgerlicher Jurastudent wird er Mitglied des Vereinigten Landtages, preußischer Ministerpräsident, Graf, dann Fürst und Reichskanzler, schließlich nach seiner Dienstzeit Herzog von Lauenburg. Er führt die Sozialversicherung ein und ist nicht nur deshalb beim Volk sehr beliebt.

Da verwundert es nicht, dass auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Deutschen alles Mögliche nach ihm benennen: eine Inselgruppe in der Südsee, Seife, kulinarische Köstlichkeiten wie den Bismarck-Salat – und eben den Bismarck-Hering.

Der Kanzler war immerhin auch als Vielfraß bekannt, der das Schlemmen liebte. So wog er mit 65 Jahren stolze 300 Pfund. Sein Ausspruch "Wenn ich tüchtig arbeiten soll, so muss ich gut gefüttert werden!" passt zu seiner Leidenschaft. Aber warum hat es ihm ausgerechnet der Hering angetan? Oder kam der Fisch auf ganz anderen Wegen zu seinem Namen? Einig sind sich Experten nicht.

Bismarckhering, Pfeffer, Zwiebeln Der Bismarck-Hering wurde nach dem Kanzler Otto von Bismarck benannt

Eine Ehrung der Fischer

Eine Geschichte behauptet, der Fürst habe den Meeresbewohner einfach zum Fressen gern gehabt. Bei einem Besuch bei Fischern soll er gesagt haben: "Wäre er so selten wie Hummer und Kaviar, ich würde ihn als Delikatesse verkaufen. Wäre der Hering so teuer wie der Kaviar, die reichen Leute würden sich um ihn reißen." Für die darauf folgende Ankurbelung der Wirtschaft dankten ihm die Fischer mit der Namensgebung.

Anderen Aussagen nach habe ein Flensburger Wirt Bismarck bei einem Besuch Hering angeboten. Der Kanzler zeigte sich so entzückt, dass er dem Wirt die persönliche Erlaubnis erteilte, fortan Bismarck-Hering zu verkaufen.

Die Hering-Diät

Schön ist auch die Geschichte von der ungewöhnlichen Diät: 2 Mahlzeiten mit 5 Gängen täglich sollen für Bismarck normal gewesen sein. Zum Frühstück aß er laut Berichten seines Leibarztes 16 Spiegeleier. Mittags folgte dann ein "leichter Lunch" – Kaviar, Räucheraal, Königsberger Klopse und Austern wurden mit Wein und Bier heruntergespült. Kein Wunder, dass den Kanzler Schlafstörungen und Magenbeschwerden quälten.

Seine Gattin soll derart besorgt gewesen sein, dass sie einen anerkannten Mediziner um Hilfe bat. Bismarcks Reaktion: Der Arzt solle ihn nicht mit medizinischem Kram belästigen. Der Arzt soll prompt gekontert haben, wenn Bismarck sich nicht untersuchen und nach seinem Befinden fragen ließe, könne er demnächst zum Tierarzt gehen. Von der Courage des Arztes beeindruckt, ließ sich Bismarck willig leichtere und gesündere Kost verordnen. Zum Beispiel den Hering, durch den er innerhalb kürzester Zeit einen halben Zentner Gewicht verlor.

Die Idee eines Verehrers

Recht wahrscheinlich ist auch die Erklärung des Stralsunder Fischkonservenfabrikanten Johann Wiechmann. Dieser soll ein großer Verehrer Bismarcks gewesen sein und schickte dem Kanzler zum Geburtstag und zur Reichsgründung 1871 ein Holzfässchen mit sauer eingelegten Ostseeheringen. In seinem Anschreiben bat er untertänig, den Leckerbissen Bismarck-Hering nennen zu dürfen. Und wie wir alle wissen, wurde sein Wunsch erfüllt.

So oder so ähnlich verlieh Otto von Bismarck also dem Schuppentier große Ehre. Immerhin kommt der Fisch heute in vielen europäischen Ländern auf den Teller.

 

Autor: Richard S. Beerbaum