Ist Eisbein mit Sauerkraut typisch deutsch?

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Auch wenn man es kaum glauben mag: In der Nachkriegszeit kauften die Menschen vor allem die Lebensmittel, die im Schaufenster des Metzgers werbewirksam als „besonders fettig“ angepriesen wurden. Wer sich so richtig satt essen wollte, bestellte in dieser Zeit vor allem in Berlin-Brandenburgs Gaststätten „Eisbein mit Sauerkraut“.

Dieses urdeutsche Standardgericht erfreute sich bis in die 60er-Jahre großer Beliebtheit. Der Nachkriegshunger war auch da noch groß und Diäten brauchten nur Politiker. Heute kann man dieses traditionelle deutsche Gericht in abgespeckter Form durchaus wieder auf den Tisch stellen.

 

Warum heißt Eisbein so?

Aber wie kam das Eisbein zu seinem Namen – schließlich wird es doch heiß serviert und nicht kalt gegessen? Beim Eisbein handelt es sich um den Teil des Beins vom Schwein, der sich zwischen Knie- bzw. Ellenbogengelenk und den Fußwurzelgelenken befindet. Man sagt auch Schienbein dazu. Das Wort „Bein“ steht für „Knochen“ – im Englischen „bone“.

Der Rest hat mit Schlittschuhlaufen zu tun: Im 17. Jahrhundert brachten holländische Einwanderer das Eislaufen nach Deutschland. Für die Kufen der Schlittschuhe benutzte man häufig Knochen aus dem Hinterbein des Schweins – „Eisbeine“ eben. 

Eine Berliner Spezialität

Das Eisbein gilt sogar als das Lieblingsessen des großen deutschen Philosophen Immanuel Kant (1724–1804). Zu seiner Zeit wurde zum Eisbein Johann Gottfried Seumes fröhliches Gedicht gesungen: „Wo man Eisbein mampft, da kannst du hocken, böse Menschen schlabbern Haferflocken.“ Die gekochte Schweinshachse mit Sauerkraut gilt noch heute als Berliner Spezialität. Sie wird bevorzugt Touristen aus aller Welt serviert, die mitunter glauben, wir Deutschen würden uns hauptsächlich davon ernähren. 

Im ganzen Land beliebt

Woanders im Land heißt das Eisbein zum Beispiel auch Hachse, Hechse, Haxe, Bötel, Stelze oder in Franken „Knöchla und Kraut“; die Schweizer bestellen „Gnagi“. Wer in Köln im Brauhaus nach einem typisch kölschen Gericht fragt, erhält zum Kölsch „Hämmche met suure Kappes“. Egal wer’s erfunden hat und in welcher deutschen Region das Eisbein bestellt wird – es wird natürlich mit Sauerkraut serviert! 

Aus China, Griechenland oder Rom?

Wussten Sie, dass das Sauerkraut gar keine deutsche Erfindung ist? Dass das Kraut in Europa jeder kennt, liegt möglicherweise an einer griechisch-römischen Tradition oder an wandernden Mongolenstämmen, die das chinesische Suan cai – das chinesische Sauerkraut – im 13. Jahrhundert bis nach Europa brachten.

Schon vor langer Zeit wurde nämlich in verschiedenen Weltregionen Gemüse durch Milchsäuregärung konserviert. Im antiken Griechenland und im Römischen Reich war so gesäuerter Weißkohl bekannt, ebenso in China.

Portion Sauerkraut, Kohl Sauerkraut gilt weltweit als das typisch deutsche Gericht

Typisch deutsch

Besonders in osteuropäischen Staaten wird sehr viel Sauerkraut gegessen – und trotzdem gilt es weltweit als typisch deutsch. Warum es international das bekannteste deutsche Nationalgericht ist, kann nur vermutet werden: Seefahrende Deutsche setzten weltweit und ganzjährig bevorzugt Sauerkraut als Proviant ein. Nachdem 1754 erkannt wurde, dass bestimmte Lebensmittel Skorbut verhindern können, wurde auf deutschen Schiffen reichlich Sauerkraut gegessen. Immerhin ist dieses lange haltbar und hat viel Vitamin C.

Der englische Seefahrer James Cook nahm auf seiner 2. Südseereise (1772–1775) ebenfalls Sauerkraut an Bord, setzte aber zusätzlich auf eine Zwangsration Zitronensaft. Aus diesem Umstand leitet sich der heute noch gebräuchliche seemännische Ausdruck „Limey“ – „Zitronenfresser“ – für englische Seeleute ab. 1879 ließ Jules Verne in seinem Buch „Die 500 Millionen der Begum“ den deutschen Schurken Professor Schultze reichlich Sauerkraut vertilgen.

Daraus hat sich in vielen Teilen der Welt das Stereotyp als feststehende Vorstellung entwickelt: Wir Deutschen essen ständig Sauerkraut. So steht in englischsprachigen Ländern „Kraut“ oder „Krauts“ umgangssprachlich für die Deutschen. In Amerika versteht das jeder, in vielen Wörterbüchern gibt’s eine ganz offizielle Übersetzung dazu.

 

Autor: Richard S. Beerbaum