Symphonie in Grün

Grüne Kräuter

Auch wenn es im Kampf gegen die Gallier nicht geholfen haben soll – die Römer mischten schon vor 2.000 Jahren ziemlich unerschrocken alles, was schön grün ist, zu kalten Kräutersaucen zusammen. Dabei ging es zunächst nicht um Geschmack, sondern um die Konservierung der Kräuter! Zum Haltbarmachen gab man noch Salz und Olivenöl dazu; so ließ sich auch im Winter ein schmackhaftes Kräutersößchen aus der kühlen Amphore zaubern – und mit frischem Brot in eine schnelle und leckere Mahlzeit verwandeln.  

 

Aber es gab noch einen anderen Grund für die Kräutersaucen: Die Römer hatten ihr anfangs beliebtes "Garum" so langsam satt und suchten eine Alternative. Garum war eine Grundsauce, die zu allem gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Sie bestand aus grobem Salz, gekochtem Ei, allen verfügbaren Gewürzen und vorhandenem Fisch einschließlich seiner Eingeweide. Die Zutaten wurden in einem Tongefäß mehrfach übereinander geschichtet, dann wochenlang in der Sonne stehen gelassen und nur ab und zu umgerührt. Den Römern galt ihr gegärtes Garum auch als Heilmittel – bevorzugt bei Hundebissen, Geschwüren und sogar Durchfall.

Die Geburtsstunde des Pestos

Warum also Garum, wenn es auch Salsa verde sein durfte? Die berühmteste wurde später die "Salsa alla napoletana", eine Mischung aus Tomaten, Olivenöl, Basilikum, Zwiebeln, Knoblauch und geriebenem Parmesan. Andere Köche arbeiteten nicht weniger erfolgreich mit Essiggurken, Kapern, grünen Paprikaschoten, Schalotten, Petersilie und so manchem mehr. Als ein neugieriger Koch in Genua Pinienkerne, Olivenöl, Parmesan, Majoran, Knoblauch, Pfeffer und Basilikum zusammenrührte, schlug die Geburtsstunde des noch heute so beliebten Pestos.

Die grüne Sauce erreicht Deutschland

Die Franzosen bekamen schnell Wind von dem neuen aromatischen Kräutergemenge, übernahmen großzügig das Rezept und nannten die Kreation "Pistou". Parallel entstand die "Sauce verte", eine Mayonnaise mit fein gehackten Kräutern wie Petersilie, Estragon, Kerbel, Brunnenkresse, Pimpernelle, Knoblauch und Schnittlauch.

Frankfurter Grie Soß mit Pellkartoffeln und hartgekochten Eiern Frankfurter Grie Soß – ein Gedicht zu Pellkartoffeln und Eiern

Als der Sonnenkönig Ludwig XIV. die französischen Protestanten, genannt Hugenotten, aus dem Land vertrieb, waren eine Viertelmillion Menschen auf der Flucht und siedelten sich bevorzugt in benachbarten, protestantisch dominierten Gegenden an. Eine Gruppe gelangte Ende des 17. Jahrhunderts nach Kurhessen in das Rhein-Main-Gebiet. Und hatte was im Gepäck? Ihre "Sauce verte" natürlich! Die wurde korrekt zur "Grünen Sauce" eingedeutscht und später zur "Frankfurter Grüne Sauce" verfeinert, die seit über 100 Jahren als "Grie Soß" in Gaststätten angeboten wird.

7 Gewächshäuser als Denkmal in Frankfurt-Oberrad In Frankfurt-Oberrad steht das Denkmal für den Saucen-Klassiker

Sie wurde zum Gattungsbegriff deutscher grüner Sauce und besteht unverändert aus den 7 Kräutern Petersilie, Kresse, Sauerampfer, Borretsch, Kerbel, Schnittlauch und Pimpernelle. Bevorzugt im Frankfurter Stadtteil Oberrad pflanzen viele Gärtnereien diese Kräuter an. Dort wurde dem Saucen-Klassiker im Mai 2007 sogar ein Denkmal gesetzt: 7 Gewächshäuser aus unterschiedlich gefärbtem Glas stehen hintereinander entlang eines Weges.

Die grüne Sauce ist in aller Munde ...

Ob die grüne Sauce aus dem römischen Ursprung heraus ihre weltweite Verbreitung antritt oder auch anderswo erfunden wird, weiß niemand genau zu sagen. Fakt ist: Egal wo wir hinreisen, eine grüne Sauce ist schon da! Urlauber schätzen auf den Kanaren die Mojo verde, die bevorzugt zu "Papas arrugadas", den typisch kanarischen Runzelkartoffeln, serviert wird.

Auch die baskische Küche kennt ihre Salsa verde und rührt sogar Erbsen mit hinein. Verlassen wir Europa, stellen wir fest, dass es in der mexikanischen Küche ohne die "Salsa mexicana" aus Zwiebeln, Chili, Knoblauch, Koriander mit Olivenöl und Limettensaft keine Tex-Mex-Küche gäbe.

In der Karibik heißt die grüne Sauce "Green Seasoning" und soll ursprünglich aus Trinidad kommen. Sie könnte aber auch bereits 1498, mitgebracht von Christoph Kolumbus, auf die Insel gelangt sein.

Auf der anderen Seite der Erdkugel ist besonders Indien für grüne, scharf gewürzte Saucen wie "Hari Chutney" und "Hara masala" – die "grüne Mischung" – bekannt. Sie besteht aus Minze, Koriandergrün, frischer Kokosraspel und einer ordentlichen Portion grüner Chilis. Hari Chutney findet sich in Indien oft mit Huhn und Reis als "Hara Masala Murgh" auf den Tellern wieder.

Weltweit gibt es zahlreiche Varianten: Wo es Kräuter gibt, werden auch grüne Saucen gerührt. Den Römern sei Dank für ihre Kräuter-Alternative zum Garum, das übrigens heute der asiatischen Fischsauce vermutlich am nächsten kommt!

 

Autor: Richard S. Beerbaum