Vegane Lebensmittelpyramide in der Gemeinschaftsverpflegung

Immer mehr Menschen entscheiden sich aus unterschiedlichsten Gründen für eine vegane Ernährungsweise. Eine Ernährung ohne tierische Produkte kann äußerst vielseitig sein und den Weg für neue kulinarische Möglichkeiten bereiten. Ohne tierische Lebensmittel fehlen aber wichtige Lieferanten für einige Nährstoffe. Wer seine Lebensmittelauswahl pflanzlich ausrichtet, sollte auf die richtige Auswahl achten, um keinen Nährstoffmangel zu riskieren. Aber welche Lebensmittel sollten in welchen Mengen aufgenommen werden, um den Nährstoffbedarf ausschließlich über pflanzliche Lebensmittel decken zu können? Antworten auf diese Frage liefert die Gießener vegane Lebensmittelpyramide.

Die Gießener vegane Lebensmittelpyramide dient als Unterstützung bei der praktischen Umsetzung einer vollwertigen und bedarfsdeckenden veganen Ernährung. Wissenschaftlich fundiertes Wissen wird in praktische Alltagsempfehlungen umgesetzt. Die empfohlenen Portionsgrößen und -zahlen gelten für gesunde Erwachsene. 
 

Gießener vegane Lebensmittelpyramide

Ebene 1: Getränke

Die Grundlage bildet eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. 1,5 – 2 Liter Wasser und andere alkoholfreie, kalorienarme Getränke wie Kräuter- und Früchtetees oder verdünnte Saftschorlen sollten pro Tag getrunken werden. Bei der Wahl des Mineralwassers sollte auf einen hohen Kalziumgehalt (kalziumreich > 150 mg/l) geachtet werden. 

Ebene 2: Gemüse und Obst

Gemüse und Obst sind ideale Lieferanten von Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Anteilig sollte mehr Gemüse als Obst verzehrt werden. Drei Portionen (mind. 400 g) Gemüse und zwei Portionen (mind. 250 g) Obst sollten es pro Tag sein. Säfte und Trockenobst können ab und zu eine Portion Frischobst/-gemüse ersetzen. Für eine ausreichende Kalziumversorgung bieten sich dunkelgrüne Gemüsesorten wie Grünkohl, Brokkoli, Spitzkohl, Rucola und Feldsalat an. Mit frischen Kräutern lassen sich die Speisen nicht nur optisch und geschmacklich aufpeppen. Sie liefern viele Vitamine und Mineralstoffe, sodass davon reichlich genommen werden darf. 

Nicht zu vergessen sind unser heimischen Superfoods wie z.B. Grünkohl, Heidelbeeren, Holunderbeeren oder Rote Bete. Wer saisonal und regional einkauft, kann nicht nur seinen Speiseplan abwechslungsreich und bunt gestalten, sondern schont dabei auch noch die Umwelt. 

Algen (z.B. Norialgen) sind jodhaltig und können zur Jodversorgung beitragen. Bei ihrer Verwendung ist zu beachten, dass manche Trockenprodukte sehr hohe Jodgehalte aufweisen. Wer Algen einsetzt, sollte sich über deren Jodgehalt informieren und darauf achten, dass die maximale tägliche Verzehrmenge nicht überschritten wird.
 

Ebene 3: Getreide und Kartoffeln

Drei Mahlzeiten pro Tag sollten aus Getreide, Reis oder Kartoffeln bestehen. Dabei entspricht 1 Portion als Beilage 60 - 75 g Reis oder Getreide (roh), 100–150 g (2 – 3 Scheiben) Vollkornbrot oder 200–350 g (2 – 3 Stück) Kartoffeln.

Die meisten Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe befinden sich in den Randschichten der Körner. Deshalb sollten Vollkornprodukte bevorzugt eingesetzt werden. Wussten Sie, dass beim Parboiled Reis ein Großteil der im Silberhäutchen enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe während des Parboiling-Verfahrens in das Innere des Reiskorns gepresst werden und beim anschließenden Schälvorgang nicht verloren gehen? Dadurch ist Parboiled-Reis ernährungsphysiologisch wertvoller als geschälter weißer Reis. 

Für mehr Abwechslung sorgen Pseudogetreidesorten wie Amaranth, Quinoa oder Buchweizen. Gezuckerte Frühstückscerealien, Müslimischungen und Müsliriegel gehören nicht in diese Kategorie, obwohl sie aus Getreide bestehen. Aufgrund des hohen Zuckergehaltes zählen sie zu den Süßigkeiten.
 

Ebene 4: Eisweißprodukte, Nüssen und Samen

Da in der veganen Ernährung sämtliche tierischen Produkte tabu sind, stellt sich die Frage nach alternativen Eiweißquellen. Man kreiert kein vollwertiges, veganes Menü, in dem man nur die Fleisch-/Fischkomponente weglässt. 

Hülsenfrüchte sind eine optimale Alternative. Sie liefern nicht nur Eiweiß, sondern auch Ballaststoffe, Kohlenhydrate sowie viele Vitamine und Mineralstoffe. Mehrmals wöchentlich, idealerweise täglich gehören sie auf dem Speiseplan, wobei eine Portion etwa 40-50 g rohen oder 150 – 220 g gegarten Hülsenfrüchten entspricht. Es gibt eine Vielzahl an Sorten, die sich zu Suppen, Bratlingen, Brotaufstrichen, in Salaten oder Gemüsebeilagen verarbeiten lassen. Und wenn es mal schnell gehen soll, können auch Konserven eingesetzt werden. 

Tipp: Das Kochwasser von Hülsenfrüchten, auch Aquafaba genannt, lässt sich zu veganem Eischnee-Ersatz aufschlagen.  

Mehle oder Teigwaren auf Hülsenfruchtbasis enthalten mehr Eiweiß im Vergleich zu den gängigen Sorten aus Weizenmehl.    
Gering verarbeitete Sojaprodukte wie Tofu und Tempeh können zur Eiweißversorgung beitragen, wobei eine Portion 50 – 100 g entspricht. Andere Fleischersatzprodukte auf Basis von Getreide, Milch oder Pilzen enthalten ebenfalls Eiweiß. Oftmals handelt es sich dabei um hoch verarbeitete Produkte mit vielen Zusatzstoffen, deren ernährungsphysiologischer Wert kritisch zu betrachten ist. Dennoch leisten diese Produkte ihren Beitrag, das Angebot für Veganer zu bereichern. 

Pflanzendrinks und Joghurtalternativen auf Soja- oder Erbsenbasis tragen ebenfalls zur Eiweißversorgung bei. Täglich bis zu drei Portionen a 100 – 200 g sollten auf dem Speiseplan stehen. Da der Kalziumgehalt der Milchalternativen nicht mit Kuhmilch vergleichbar ist, sollte auf eine Anreicherung mit Kalzium geachtet werden. 

Nüsse und Samen liefern neben Eiweiß auch wichtige Vitamine und Mineralstoffe und sind reich an essentiellen Fettsäuren. Aufgrund des hohen Energiegehalts sollten sie aber in kleineren Mengen von zirka 30 g pro Tag angeboten werden. Die Verzehrempfehlung für Paranüsse, ein idealer Selen-Lieferant, ist auf 1 – 2 Stück pro Tag begrenzt.   

Durch die Kombination verschiedener pflanzlicher Proteinquellen kann die biologische Wertigkeit der Speisen erhöht werden. Die biologische Wertigkeit gibt an, in welchem Maß Nahrungseiweiß in körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden kann.  Durch geschickte Kombinationen pflanzlicher Eiweißquellen (z.B. Getreide und Hülsenfrüchte) lassen sich Werte erzielen, die mit tierischen Produkten vergleichbar sind. 
 

Ebene 5: Öle, Fette und Salz

Die Gesamtaufnahme an Fett sollte 30 % der täglichen Energieaufnahme nicht überschreiten. Für die Praxis bedeutet das 2 – 3 EL pro Tag in Form von Brat- und Streichfett, Ölen oder fettreichen Pflanzencremes. Dabei sind Öle mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren wie zum Beispiel Raps-, Soja- oder Olivenöl zu bevorzugen.   

Besondere Aufmerksamkeit sollte den Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren geschenkt werden. Leinöl weist den höchsten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren auf.

Wer auf den Buttergeschmack nicht verzichten möchte, für den gibt es vegane Alternativen mit Butteraroma.

Die tägliche Salzmenge sollte 1 TL nicht überschreiten. Da Fisch als wichtiger Jodlieferant wegfällt, ist jodiertes Speisesalz bevorzug zu verwenden. 
 

Ebene 6: Süßigkeiten, Knabbereien und Alkohol

Süßigkeiten, Kuchen, Gebäck, Chips, Limonaden, alkoholische Getränke oder gezuckerte Frühstückszerealien stehen an der Spitze der Pyramide. Aus ernährungsphysiologischer kommt ihnen bei der Deckung des Nährstoffbedarfs keine besondere Rolle zu. Da aber Genuss neben ernährungsphysiologischen Aspekten eine Rolle in der Ernährung spielt, lautet hier die Empfehlung: möglichst selten, in kleinen Mengen und bewusst genießen. Als Richtwert wird maximal eine Portion pro Tag angegeben.

Sonstige Empfehlungen

Trotz sorgfältiger Lebensmittelauswahl ist das Risiko einer Unterversorgung mit Vitamin B12 gegeben. Eine für den Menschen nutzbare Form des Vitamin-B12 liefern fast nur tierische Lebensmittel. Nur über eine Supplementierung lässt sich eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B 12 erreichen. Achten Sie beim Kauf von veganen Ersatzprodukten auf eine Anreicherung mit Vitamin B12. 

Vitamin D nimmt eine Sonderstellung unter den Vitaminen ein, da der Körper in der Lage ist mit Hilfe von Sonnenlicht dieses selber zu bilden. Ein täglicher Aufenthalt im Freien von mind. 30 Minuten wirkt sich positiv auf die Vitamin-D-Bildung aus.  

Mit einer gut geplanten Lebensmittelauswahl unter Verwendung von angereicherten Produkten sowie einer Supplementierung von Vitamin B12 lässt sich ein ausgewogener veganer Speiseplan umsetzen. Neben gesundheitlichen Aspekten punktet die vegane Ernährung in Sachen Nachhaltigkeit. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Gemeinschaftsverpflegung auf die Ernährungsgewohnheiten der Gäste. So kann nicht nur die eigene Klimabilanz verbessert, sondern auch einen Beitrag zu einem gesünderen und ökologisch besseren Speisenangebot geleistet werden.  
 

Rita Roelofs
Über unsere Autoren
Rita Roelofs

Seit 20 Jahren ist Rita Roelofs als gelernte Diätassistentin und Diplom-Oecotrophologin Ihre Ansprechpartnerin im Produktinformationsdienst. Sie berät Sie zu allen Sonderkostformen und unterstützt Sie bei der Auswahl der geeigneten Produkte. Die Umsetzung lebensmittelrechtlicher Vorgaben wie der LMIV gehört ebenfalls zu ihrem Portfolio.