Lebensmittelsicherheitskultur erfolgreich in der Praxis verankern
Mit Haltung und Struktur zu sicherer Hygiene
Mit der letzten Änderung der EU-Verordnung 852/2004 wurden die Lebensmittelunternehmer verpflichtet, eine Lebensmittelsicherheitskultur im Betrieb „einzuführen, aufrechtzuerhalten und nachzuweisen“, d.h. zu dokumentieren. Die Lebensmittelsicherheitskultur ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Managementsystems für Lebensmittelsicherheit, das in zwei EU-Leitfäden (2020 und 2022) beschrieben wurde und das künftig von den Lebensmittelunternehmen gefordert wird. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff? Und wie lässt sich die Anforderung in der Praxis umsetzen? Dieser Artikel gibt einen kompakten Überblick über Bedeutung, Ziele und Umsetzung einer gelebten Lebensmittelsicherheitskultur.

Verantwortung auf allen Ebenen
Die Verordnung macht deutlich: Es geht um Verantwortlichkeiten – und zwar auf allen Ebenen. Von der Geschäftsführung über die Küchenleitung bis hin zu den Beschäftigten sind alle eingebunden. Die Gesamtverantwortung für die Lebensmittelsicherheit liegt dabei eindeutig bei der Geschäftsführung. Sie wird in der Verordnung ausdrücklich benannt – mitsamt konkreter Beispiele, für welche Bereiche sie die Verantwortung trägt.
- Die Geschäftsführung muss die Küchenleitung sowie alle Beschäftigte zu einer sicheren Produktion und Verteilung von Lebensmitteln verpflichten.
- Sie trägt dabei die Führungsrolle.
- Sie muss alle Beschäftigten einbeziehen und ihnen vermitteln, wie wichtig Hygiene ist und mit welchen Gefahren deren Vernachlässigung einhergehen kann.
- Sie muss dafür sorgen, dass eine offene und klare Kommunikation in ihrem Unternehmen praktiziert wird.
- Schließlich muss sie die erforderlichen Ressourcen bereitstellen, damit überhaupt sichere Lebensmittel produziert werden können – das können Räume, technische Ausstattungen, Personal oder finanzielle Mittel sein.
Jedoch sind sich nicht alle Geschäftsführungen ihrer Verantwortung in vollem Umfang bewusst. In der Praxis zeigt sich mitunter, dass es Führungskräften schwerfällt, geeignete Wege zu finden, ihre Mitarbeitenden dafür zu sensibilisieren. Die EU setzt hier ein klares Zeichen und sorgt dafür, dass eine wesentliche Lücke im Lebensmittelrecht geschlossen wird. Denn: wenn Verantwortlichkeiten nicht klar sind, haben Bakterien und Viren mitunter leichtes Spiel, weil nötige Hygieneregeln mangels Zuständigkeiten nicht erstellt und erst recht nicht kontrolliert werden können.

Verantwortung endet nicht an der Küchentür
Mit der Lebensmittelsicherheitskultur wurde auch verdeutlicht, dass die Verantwortung nicht mehr „an der Küchentür“ endet, wie es bislang oft von Küchenleitungen gedacht wurde, weil sie sich oftmals allein gelassen gefühlt haben. Die Verantwortung geht vielmehr bis zur Übergabe an die Konsumenten, also an die Patient:innen, Bewohner:innen, Gäste, Kinder, Schüler:innen etc. Das bedeutet, dass nun auch andere Funktionsbereiche mit in die Verantwortung genommen werden müssen.
Damit eingehend werden innerbetriebliche Diskussionen zu erwarten sein – und diese sind wichtig für eine umfassende Auseinandersetzung mit der Thematik. Erst wenn das Fundament der Verantwortlichkeiten stabil steht, können HACCP-Konzept, PRP-Konzepte oder das Allergenmanagement wirkungsvoll umgesetzt werden. Die Lebensmittelsicherheitskultur ist also ein ein wesentlicher Baustein für das gesamte Managementsystem für Lebensmittelsicherheit.

Säulen der Lebensmittelsicherheit
Die Lebensmittelsicherheitskultur bildet das Fundament der „5 Säulen der Lebensmittelsicherheit“
Dabei geht es nicht um ein Lebensmittelsicherheitsprogramm, sondern um eine Lebensmittelsicherheitskultur. Statt allein auf Dokumentation zu setzen, wie es im Qualitätsmanagement oft im Fokus stand, rückt nun das gemeinsame Handeln aller Beteiligten in den Vordergrund. Entscheidend ist, dass sich Mitarbeitende auf allen Ebenen eingebunden fühlen, Verantwortung übernehmen – und entsprechend handeln.
Elemente einer starken Lebensmittelsicherheitskultur
Eine starke Lebensmittelsicherheitskultur ist also fest verankert in der Unternehmensphilosophie und beinhaltet:
- Verantwortungsbewusstsein: Alle Beschäftigten, vom Management bis zu den ausführenden Personen, übernehmen Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit.
- Einfaches und klares Regelwerk: Durch einfach gestaltete und aussagekräftige Arbeitsanweisungen wird erreicht, dass alle ausführenden Personen wissen, was sie zu tun haben.
- Zielgerichtete Schulungen: Statt Standardschulungen abzuhalten, ist es von entscheidender Bedeutung, durch ein passgenaues Schulungskonzept dafür zu sorgen, dass nicht nur die Regeln vermittelt werden, sondern Verantwortungsbewusstsein und Mitwirkungsbereitschaft erzeugt werden. Es geht also darum, auf die Überzeugung und das Verhalten der Beschäftigten Einfluss zu nehmen.

- Offene Kommunikation: Wer auch schwierige Themen offen anspricht, schafft die Basis für gemeinsames Lernen und kontinuierliche Verbesserung.
- Engagement des Managements: Das alles geht nicht ohne eine Führungsebene, die mit Überzeugung und Wohlwollen bei der Sache ist. Denn nur durch das richtige Verhalten und die richtigen Entscheidungen zeigt das Management, dass die Lebensmittelsicherheit höchste Priorität hat und es tatsächlich um eine gelebte „Kultur“ und nicht um ein dokumentiertes „Programm“ geht.
Auf den Punkt gebracht
Die Lebensmittelsicherheitskultur ist das Fundament der Lebensmittelsicherheit in einem Betrieb: Sie fordert nicht mehr Dokumente, sondern mehr Bewusstsein, Verantwortung und Zusammenarbeit. Es ist wichtig, dass Führungskräfte und Mitarbeitende gemeinsam handeln, klare Regeln leben und offen kommunizieren. Nur so wird Lebensmittelsicherheit zur gelebten Praxis.

Seit 1997 gibt Stefan Vornehm zu den Themen EU-Zulassungen, HACCP, Hygiene- und Qualitätsmanagement sein Wissen im CHEFS VALUE Campus weiter. Seine Palette reicht von Inhouse-Schulungen zur Lebensmittelhygiene-Verordnung und Belehrungen nach Infektionsschutzgesetz über Seminare und Fachvorträge bis hin zur Ausbildung von HACCP- und Hygienebeauftragten.