Dauerhafte Mehrwertsteuerreduzierung auf 7 %
Warum stabile Preise die bessere Entscheidung sind
Nach langem politischem Ringen ist nun entschieden: Die ursprünglich als Corona-Hilfsmaßnahme eingeführte Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Speisen wird ab dem 1. Januar 2026 dauerhaft fortgeführt. Diese Entlastung soll die Gastronomiebranche nachhaltig stärken. Doch stellt sich die Frage: Muss dies automatisch zu sinkenden Preisen für Gäste führen? Ein Blick auf die wirtschaftliche Realität zeigt: Nein, das muss es nicht – und in vielen Fällen wäre es sogar betriebswirtschaftlich riskant.
Warum die MwSt.-Senkung nur begrenzten Preisspielraum bietet
Die Kostenstruktur der Gastronomie hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Selbst die steuerliche Entlastung gleicht den Druck, der durch steigende Lohn-, Energie- und Warenkosten entsteht, nur teilweise aus. Hinzu kommt: Getränke bleiben weiterhin mit 19 Prozent besteuert. Für viele Betriebe, deren Gesamtumsatz zu einem erheblichen Teil aus Getränken besteht, bleibt auch aus diesem Grund der Spielraum begrenzt. Was kann die 12%- Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Speisen also im Ergebnis bedeuten?
Eine Beispielrechnung:
- In einem Restaurant mit einem Jahresumsatz von rund einer Million Euro und einem Speisenanteil von 60 % verbessert sich das Betriebsergebnis theoretisch um etwa 6 bis 7 %. Diese Rechnung hält jedoch nur bei einer unveränderten Kostenstruktur stand.
- Tatsächlich aber steigt der Mindestlohn ab dem 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro – eine Belastung, die bei einer Personalkostenquote von rund 40 % etwa 2 % des Ergebnisses wieder aufzehrt.
- Parallel dazu verteuern sich Rohstoffe und Waren aufgrund anhaltender Preisvolatilität, was schnell einen weiteren Prozentpunkt kostet.
- Energie-, Nebenkosten, Liefer- und Verpackungsgebühren bleiben ebenfalls über Vorkrisenniveau.
Unter dem Strich bleiben von den theoretischen 6 bis 7 % Ergebnisverbesserung oftmals nur 3 bis 4 % übrig – und damit deutlich weniger Handlungsspielraum, als es der reine Steuersatz vermuten lässt.
Das bedeutet:
Die MwSt.-Senkung ist kein Anlass zur Preissenkung, sondern eine Chance zur wirtschaftlichen Gesundung und Zukunftssicherung. Positionieren Sie Ihre Preise daher nicht als bloße Reaktion auf Steuersätze – sondern als Ausdruck Ihres Wertes und Qualitätsversprechens. Investieren Sie die zusätzlichen 3 bis 4 % Gewinn gezielt in die Zukunft Ihres Betriebs – etwa in neue Geräte oder ansprechendes Mobiliar zur sichtbaren Aufwertung Ihres Angebots. Um die Preisstabilität langfristig zu sichern, gilt es nun, auch die internen Abläufe in den Blick zu nehmen: Denn erst durch effiziente Strukturen und optimierte Prozesse entsteht der wirtschaftliche Spielraum, der Qualität und Preisstabilität nachhaltig ermöglicht.
Maßnahmen zur Prozess- und Kostenoptimierung
1. Kalkulationen professionell neu aufstellen
Die Preisgestaltung muss sich an den tatsächlichen Kosten orientieren – und regelmäßig angepasst werden. Wichtig ist dabei, nicht nur Einkaufspreise, sondern auch Personal- und Energiekosten sowie Deckungsbeiträge pro Gericht im Blick zu behalten. Digitale Kalkulationstools können hier wertvolle Unterstützung leisten. Besonders relevant: die gezielte Reduktion von wenig rentablen oder stark schwankenden Produkten auf der Karte.
2. Abläufe verschlanken – vom Angebot bis zur Küchenorganisation
Weniger ist oft mehr – das gilt nicht nur für die Speisekarte, sondern für den gesamten operativen Ablauf. Ein zu breites Angebot führt schnell zu komplexen Warenströmen, erhöhtem Vorbereitungsaufwand, längeren Zubereitungszeiten und höherer Fehleranfälligkeit. Wer dagegen gezielt reduziert, schafft Klarheit – im Einkauf, in der Produktion und beim Gast.
Eine verschlankte Speisekarte erleichtert die Kalkulation, reduziert den Wareneinsatz und ermöglicht eine bessere Planbarkeit – auch personell. Gleichzeitig lassen sich Abläufe in der Küche und im Service deutlich effizienter gestalten: mit klar definierten Arbeitsschritten, abgestimmten Zuständigkeiten und einem gezielten Mise-en-Place. Standardisierte Rezepturen und wiederkehrende Komponenten helfen dabei, gleichbleibende Qualität auch bei schwankender Personalsituation sicherzustellen.
Auch hier gilt: Der Schlüssel liegt nicht in der radikalen Reduktion, sondern in der intelligenten Fokussierung. Welche Gerichte laufen gut? Wo stimmt die Marge? Welche Zubereitungsarten lassen sich kombinieren? Wer sein Angebot strategisch strafft und gleichzeitig seine Abläufe klar strukturiert, entlastet das Team und erhöht die Wirtschaftlichkeit – ohne den Charakter des Betriebs zu verlieren.
3. Personalbindung aktiv gestalten
Höhere Löhne sind wichtig, aber nicht alles. Arbeitszeiten, Teamführung, Fortbildungsmöglichkeiten und ein wertschätzendes Betriebsklima spielen eine ebenso große Rolle. Wer Mitarbeitende einbindet, verlässlich plant und Entwicklungsperspektiven bietet, steigert die Zufriedenheit – und reduziert die Fluktuation. Das spart langfristig Kosten und sichert Qualität im Service.
4. Investitionen gezielt priorisieren
Ob Küchenmodernisierung, neue Kassensysteme oder energiesparende Geräte: Investitionen sollten dort erfolgen, wo sie langfristig Effizienz oder Qualität verbessern. Förderprogramme von Bund und Ländern können helfen, notwendige Maßnahmen auch mit begrenztem Budget umzusetzen. Wer strukturell investieren will, braucht allerdings solide Kennzahlen – und eine vorausschauende Planung.
5. Prozesse digitalisieren
Digitale Tools bieten große Chancen: von der Online-Reservierung über Schichtplanung bis zur Warenwirtschaft. Auch im Backoffice lassen sich mit Softwarelösungen Zeit und Fehler vermeiden – etwa bei der Personalverwaltung, im Controlling oder beim Dokumentationsaufwand. Wichtig ist ein realistischer Einstieg: Lieber klein anfangen, aber konsequent umsetzen.
6. Foodwaste reduzieren – Ressourcen besser nutzen
Lebensmittelverschwendung ist nicht nur ein ethisches und ökologisches Thema – sie ist vor allem auch ein betriebswirtschaftlicher Kostenfaktor. Jeder nicht verkaufte oder weggeworfene Teller bedeutet bares Geld, das dem Betrieb verloren geht. Gerade vor dem Hintergrund steigender Warenkosten und knapper Margen wird der bewusste Umgang mit Lebensmitteln zur unternehmerischen Pflicht.
Dabei muss es nicht immer der große Wurf sein. Schon kleine Maßnahmen zeigen Wirkung: realistische Portionsgrößen, flexible Beilagenwahl, präzise Produktionsplanung, eine durchdachte Lagerhaltung und regelmäßige Schulungen für das Küchenteam. Auch digitale Tools zur Verbrauchs- und Wareneinsatzkontrolle oder Resteverwertung helfen, den Überblick zu behalten und gezielt gegenzusteuern.
Wichtig ist, das Thema nicht als zusätzliche Belastung zu sehen, sondern als Teil einer zukunftsfähigen Betriebskultur. Wer Ressourcen effizient nutzt, stärkt nicht nur seine Wirtschaftlichkeit, sondern auch das eigene Image – bei den Gästen wie beim Team.
7. Konzepte hinterfragen und neu ausrichten
Neben betriebswirtschaftlichen Maßnahmen braucht es vor allem eines: den Mut, das eigene Konzept grundlegend zu überdenken. Denn nicht jede Herausforderung lässt sich allein durch Effizienzsteigerung oder Preisanpassung lösen. Wer heute erfolgreich sein will, muss sich fragen: Passt mein Angebot noch zu den Bedürfnissen meiner Zielgruppe? Wie hebe ich mich vom Wettbewerb ab? Und worin liegt mein Alleinstellungsmerkmal?
Immer mehr Gäste achten auf Regionalität, Frische, Nachhaltigkeit oder vegetarisch-vegane Alternativen – nicht als Zusatzangebot, sondern als festen Bestandteil ihrer Alltagsentscheidung. Auch flexible Öffnungszeiten, durchdachte Mittagskonzepte oder Angebote für bestimmte Zielgruppen (z. B. Familien, Geschäftsleute, Alleinesser) können neue Gästegruppen erschließen und wirtschaftliche Stabilität schaffen.
Zukunftsfähige Konzepte entstehen dort, wo kulinarisches Profil, betriebliche Effizienz und ein klares Verständnis für die eigene Zielgruppe zusammenspielen. Das kann bedeuten, sich zu spezialisieren statt alles anzubieten. Es kann bedeuten, eine kleinere Fläche bewusst effizient zu bespielen oder mit anderen Betrieben zu kooperieren. Wer jetzt bereit ist, sein Konzept anzupassen oder weiterzuentwickeln, positioniert sich langfristig besser – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch im Kopf der Gäste.
Wie Sie Preisstabilität kommunizieren und Akzeptanz schaffen
Viele Gäste werden vermutlich erwarten, dass die Preise durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Speisen automatisch sinken. In der Praxis fällt der Entlastungseffekt jedoch so gering aus, dass Preisreduzierungen kaum oder gar nicht möglich sind. Um falsche Erwartungen zu vermeiden, ist es daher wichtig, Gästen transparent zu erklären, warum die Entlastung nur minimal ist oder sich nicht auf die Preise auswirkt. So entsteht Verständnis – und Vertrauen bleibt erhalten.
Folgende Maßnahmen können dabei unterstützen:
1. Servicequalität verbessern
Optimieren Sie Ihre Serviceabläufe und gestalten Sie diese effizienter. Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden auf den passenden Serviceablauf und gehen Sie auch die Bedürfnisse Ihrer Gäste ein. Setzen Sie Ziele im Team: z.B. das freundlichste Restaurant der Stadt zu sein und versuchen Sie die Erwartungen der Gäste mit individuellen Erinnerungsschlüssel zu übertreffen. Geben Sie Ihren Mitarbeitenden Kompetenzen z.B. beim Beschwerdemanagement und geben Sie Ihnen Lösungen an die Hand, seien es Einladungen und Stornierungen aussprechen zu dürfen.
2. Markenbotschafter einsetzen
Wenn es darum geht, stabile Preise verständlich zu vermitteln und Vertrauen aufzubauen, knüpfen Markenbotschafter direkt an eine starke Servicequalität an. Durch ihre persönliche Interaktion machen sie das Markenversprechen erlebbar und schaffen eine emotionale Verbindung, die Gästen hilft, Preisentscheidungen nachzuvollziehen. Identifizieren sich Mitarbeitende mit der Marke, fällt es auch den Gästen leichter, sich mit dem Betrieb zu verbinden. Gleichzeitig stärken Markenbotschafter das Markenimage und erhöhen die Attraktivität als Arbeitgeber.
3. Storytelling nutzen
Authentische Gerichte mit einer Geschichte dahinter sorgen für eine höhere Produktglaubwürdigkeit – und die steigert letztlich die Zahlungsbereitschaft Ihrer Gäste. Gestalten Sie Ihre Speisenkarten neu und implementieren Sie Storytelling zu Gerichten, Herkunft und Qualität von Produkten. Mithilfe von QR-Codes können Sie beispielsweise auch Imagefilme über die Produzenten in die Speisekarte integrieren.
Das Wissen auf einen Blick
- Die 7-%-Steuer schafft nur wenig Entlastung, da hohe Lohn-, Energie- und Warenkosten sie nahezu aufheben.
- Realer Vorteil bleibt gering – von theoretischen 6–7 % bleiben oft nur 3–4 % übrig.
- Preissenkungen wären riskant, da Getränke mit 19 % besteuert bleiben und wichtige Margen sichern.
- Stabile Preise stärken die Wirtschaftlichkeit und sollten durch Prozess- und Kostenoptimierung unterstützt werden.
- Transparente Kommunikation schafft Verständnis, etwa durch guten Service, Markenbotschafter und Storytelling.
- Wer wirtschaftlich bestehen will, muss jetzt aktiv werden: Prozesse analysieren, Kalkulationen überarbeiten, Investitionen klug planen und vor allem das eigene Konzept auf Zukunftstauglichkeit prüfen.