Neue Verordnung zu Acrylamid

Prüfen Sie Ihre Produktionsschritte, um Richtwerte einzuhalten

Stichtag für die neue Verordnung von Acrylamid Stichtag für die neue Verordnung des Schadstoffes Acrylamid

Im Jahre 2002 informierte die schwedische Behörde für Lebensmittelsicherheit über das Vorkommen von Acrylamid in Lebensmitteln. Obwohl seitdem bekannt ist, dass ein Gesundheitsrisiko von Acrylamid ausgeht, wurde eine ausreichende Reduktion des Schadstoffs nicht erreicht. Das soll sich mit einer neuen Verordnung ändern. Was für Lebensmittelunternehmer wichtig sein könnte, wenn am 11. April 2018 die Übergangsfrist abläuft, lesen Sie hier.

Am 20. November 2017 hat die Europäische Kommission die Verordnung 2017/2158 zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln veröffentlicht. Diese enthält die Verpflichtung für Lebensmittelunternehmer, für bestimmte Lebensmittelgruppen definierte Minimierungsmaßnahmen anzuwenden, mit dem Ziel, die Acrylamidbelastung so weit wie möglich zu reduzieren. 
Darüber hinaus legt die Verordnung Anforderungen an die Probenahme sowie die Leistungskriterien für die Analyse von Acrylamid fest. Je nach Größe des Betriebs ist auch eine Nachweis- und Dokumentationspflicht vorgesehen. 

Acrylamid bildet sich in Lebensmitteln, die mit einer Hitze von über 120° C gebraten oder frittiert werden Acrylamid bildet sich in Lebensmitteln, die mit einer Hitze von über 120° C gebraten oder frittiert werden

Wo ist Acrylamid zu finden?

Erhöhte Acrylamidgehalte finden sich in gebratenen und frittierten Kartoffelerzeugnissen wie z. B. in Kroketten, aber auch in Nüssen oder Getreideprodukten wie z. B. Weihnachtsgebäck. Da sich Acrylamid erst oberhalb von 120° C beim Backen, Braten, Frittieren oder Rösten bildet, sind alle nicht erhitzten sowie gekochten oder gedünsteten Lebensmittel frei davon.

Für Erwachsene stellen Kaffee und gebratene oder frittierte Kartoffelerzeugnisse die größten Acrylamid-Quellen dar. Bei Kindern sind gebratene oder frittierte Kartoffelprodukte die wichtigste Aufnahmequelle. Ihr Anteil macht über die Hälfte aus.

Gibt es eine tolerierbare Grenze für Acrylamid?

Acrylamid wirkt genotoxisch und schädigt die DNA bei jeder Höhe. Daher gibt es nach derzeitigem Kenntnisstand keinen "Grenzwert", bei dessen Unterschreitung ein Risiko für den Verbraucher ausgeschlossen werden kann. 
Ziel sollte sein, die Aufnahmemenge so gering wie möglich zu halten. Ganz vermeiden lässt sich das Entstehen von Acrylamid beim Backen, Braten, Rösten und Frittieren nach heutigem Wissensstand jedoch nicht. 

Richtwerte für Lebensmittelgruppen

Es existieren keine gesetzlichen Höchstwerte für Acrylamid in Lebensmitteln. Bisher wurden für einzelne Lebensmittelgruppen Signalwerte festgelegt, deren Überschreitung aber keinen Rechtsverstoß darstellte, sondern lediglich als Aufforderung diente, den Produktionsprozess zu prüfen. Ziel war es zu klären, ob eine regelmäßige Überschreitung vorliegt und praktikable Minimierungsmaßnahmen zu definieren. 
Da die bisherigen Signalwerte zu keiner ausreichenden Reduzierung von Acrylamid geführt haben, legt die neue Verordnung Richtwerte fest, die unterhalb der bisherigen Signalwerte liegen. Für folgende Lebensmittelgruppen hat die EU Richtwerte festgelegt:

  • Pommes frites und vergleichbare Produkte
  • Kartoffelchips, Snacks, Cracker und vergleichbare Erzeugnisse auf Kartoffelbasis
  • Brot
  • Frühstücks-Cerealien außer Porridge
  • Feine Backwaren
  • Kaffee
  • Kaffeemittel aus Getreide und/oder Zichorie
  • Säuglingsnahrung, Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder
  • Kekse und Zwieback für Säuglinge und Kleinkinder

Was tun bei erhöhten Richtwerten?

Bei Überschreitung der festgelegten Richtwerte sind die Lebensmittelunternehmer verpflichtet, Maßnahmen zur Ursachenaufklärung und -beseitigung der Acrylamidbelastung zu ergreifen. Eine Überschreitung des Richtwertes führt aber nicht dazu, dass das betreffende Lebensmittel nicht mehr verkehrsfähig ist. Höhere Werte müssen zum Anlass genommen werden, die einzelnen Produktionsschritte zu prüfen, an welcher Stelle die Entstehung verringert werden kann. 

An folgenden Stufen der Lebensmittelproduktion kann angesetzt werden:

  • Änderung der Rohstoffe, z. B. Kartoffeln mit niedrigem Zuckergehalt auswählen
  • Änderung der Rezeptur, z. B. Austausch von Ammoniumbicarbonat durch alternative Backtriebmittel
  • Änderung der Prozessabläufe, z. B. Kontrolle der Zubereitungstemperatur und -zeit
  • Änderung der Zubereitung, z. B. Kartoffeln vor dem Garprozess einweichen und blanchieren

Es wird eingeräumt, dass für bestimmte Lebensmittelgruppen besondere Produktionsbedingungen, geographische oder saisonale Verhältnisse vorliegen können, die trotz Anwendung aller Minimierungsmaßnahmen das Erreichen der Richtwerte verhindern. In diesem Fall sollte das Lebensmittelunternehmen nachweisen können, alle Risikominimierungsmaßnahmen angewendet zu haben. Eine nach vernünftigem Ermessen erreichbare Acrylamidabsenkung ist das Ziel.   

Bei der Umsetzung der Verordnung gibt es Unterschiede für Unternehmer Aufgepasst: Die Verordnung gilt nicht für alle Unternehmer gleichermaßen

Unterschiedliche Vorgaben für Lebensmittelunternehmer 

Für die einzelnen Lebensmittelgruppen enthält die Verordnung eigene Minimierungsmaßnahmen. Diese müssen aber nicht gleichermaßen von allen Lebensmittelunternehmern umgesetzt werden. Damit kein Unternehmen mit der Umsetzung überfordert wird, werden die Maßnahmen an die Art der Tätigkeit des Unternehmens angepasst.

Es werden 3 Gruppen von Lebensmittelunternehmern differenziert:

  • Lebensmittelunternehmer
  • Lebensmittelunternehmer, die im Rahmen einer Handelsmarke oder-lizenz tätig sind, wie z. B.  Franchiser
  • Kleinunternehmer 

Alle Lebensmittelunternehmer unterliegen unterschiedlichen Vorgaben, was die Maßnahmen und Dokumentationen anbelangt. So werden Kleinunternehmer zum Beispiel von der Pflicht zur Probenahme und Analyse ihrer Produktion auf das Vorhandensein von Acrylamid ausgenommen, da eine solche Forderung eine unverhältnismäßige Belastung für das Unternehmen darstellen würde. Strengere Vorgaben gibt es für die Lebensmittelunternehmer, die im Rahmen einer Handelsmarke oder -lizenz, als Teil- oder Franchisenehmer größerer, vernetzter Wirtschaftstätigkeiten beschäftigt sind.

Für alle 3 Gruppen gilt aber gleichermaßen ein Minimierungskonzept auszuarbeiten. 

Hier ein Beispiel, wie die Minimierungsmaßnahmen für Kleinunternehmer bei der Zubereitung von Pommes frites aussehen könnten: 

  1. Kartoffeln mit niedrigem Zuckergehalt auswählen.
  2. Bei rohen Kartoffeln eine der folgenden Arbeitsschritte anwenden: die Rohware waschen und 0,5 bis 2 Stunden in kaltem Wasser einweichen, die Rohware einige Minuten in warmem Wasser einweichen, die Rohware blanchieren. 
  3. Öle verwenden, die den Garvorgang verkürzen.
  4. Unter 175° C frittieren.
  5. Kleinteile regelmäßig vom Frittieröl abschöpfen.
  6. Eine Farbskala am Zubereitungsort anbringen, aus der die Mitarbeiter die optimale Kombination aus Bräunungsgrad und niedrigem Acrylamidgehalt ablesen können. 

Tipps für Endverbraucher

Endverbraucher erhalten genaue Zubereitungsempfehlungen unter Angabe der Dauer, der Temperatur sowie der Menge für die Zubereitung, um die Acrylamidbildung zu reduzieren. 
Mit Hilfe von Bräunungstabellen sollen die Endverbraucher den optimalen Zeitpunkt ermitteln, wann die Pommes ausreichend frittiert, aber mit möglichst wenig Acrylamid belastet sind.  

Um letzte offene Fragen zur Anwendung der neuen Verordnung zu beantworten, hat die Europäische Kommission angekündigt, im Frühjahr 2018 einen Auslegungsleitfaden zu veröffentlichen. Wir halten Sie diesbezüglich auf dem Laufenden. 

Rita Roelofs
Über unsere Autoren
Rita Roelofs

Seit 20 Jahren ist Rita Roelofs als gelernte Diätassistentin und Diplom-Oecotrophologin Ihre Ansprechpartnerin im Produktinformationsdienst. Sie berät Sie zu allen Sonderkostformen und unterstützt Sie bei der Auswahl der geeigneten Produkte. Die Umsetzung lebensmittelrechtlicher Vorgaben wie der LMIV gehört ebenfalls zu ihrem Portfolio.