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CHEFS VALUE Fach-Insights Ernährung Die wahren Kosten der Außer-Haus-Verpflegung

Die wahren Kosten der Außer-Haus-Verpflegung

Warum nachhaltige Ernährung mehr ist als eine Preisfrage

In Schulen, Krankenhäusern, Betrieben oder Restaurants wird täglich millionenfach gegessen. Die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) ist ein zentraler Bestandteil unseres Ernährungssystems – und ein Schlüsselsektor für eine nachhaltige Transformation. Was hier auf dem Teller landet, beeinflusst nicht nur Gesundheit und Wohlbefinden der Gäste, sondern auch Umwelt, Klima und soziale Strukturen. Doch viele dieser Effekte sind in den kalkulierten Essenspreisen nicht enthalten.

Reele Kosten für unser Essen

Was kostet unser Essen wirklich?

Traditionell werden in der AHV nur die direkten Kosten erfasst, das sind: Einkaufspreise für Lebensmittel, Personalkosten, Betriebskosten z.B. für Energie und Wasser, Miete und Logistik. 

Neben diesen direkten, sichtbaren Kosten fallen entlang der Wertschöpfungskette, angefangen bei der landwirtschaftlichen Primärproduktion über die Lebensmittelverarbeitung bis hin zur Entsorgung immense indirekte, versteckte Kosten an. Das sind die Kosten, die durch die langfristigen Auswirkungen unseres Ernährungssystems auf Umwelt, Gesundheit und soziale Lebensbedingungen entstehen. Diese Folgekosten nennt man auch „Schadschöpfung“.
 

1. Umweltfolgekosten, z.B.:

  • Konventionelle Lebensmittel, insbesondere tierischen Ursprungs, verursachen hohe Treibhausgasemissionen, belasten Böden und Gewässer und fördern den Verlust der Artenvielfalt.
  • Lebensmittelverschwendung – in Großküchen ein bekanntes Problem – bedeutet Ressourcenverschwendung und vermeidbare Klimabelastung.
  • Diese Umweltschäden machen rund ein Fünftel der versteckten Gesamtkosten aus.

2. Gesundheitskosten, z.B.:

  • Die Ernährung ist ein zentraler Gesundheitsfaktor. Eine unausgewogene Ernährung (zu viel Zucker, Fett, Salz, Fleisch – zu wenig Gemüse, Ballaststoffe, Vollkorn) begünstigt chronische Krankheiten. Die Folge: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ II, Adipositas, Karies – Krankheiten, deren Behandlung Milliarden kostet und Lebensqualität nimmt. 
  • Bei vulnerablen Gruppen – etwa bei Kindern oder älteren Menschen – sind die Auswirkungen besonders gravierend.
  • Hinzu kommen Risiken durch antibiotikaresistente Keime, Pestizidrückstände, Nitrat oder Antibiotika in Lebensmitteln und Trinkwasser.
  • Über 70 % der indirekten Kosten entstehen durch ungesunde Ernährung.

3. Soziale Kosten, z.B.:

  • Niedrige Löhne in der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung. Billige Lebensmittel entstehen oft auf dem Rücken von schlecht bezahlten Arbeitskräften – insbesondere im globalen Süden.
  • Importe aus wasserarmen Regionen (z. B. Obst, Gemüse oder Palmöl) tragen zur globalen Ressourcenverknappung und zu Ungleichheiten in der globalen Versorgung bei.
  • Armut und Unterernährung in Entwicklungsländern als Folge exportorientierter Agrarsysteme.
  • Kinderarbeit oder Zwangsarbeit in bestimmten Sektoren.
Versteckte Kosten im Ernährungsmanagement

Allein in Deutschland belaufen sich die versteckten Umweltkosten des Ernährungssystems auf rund 30 Milliarden Dollar pro Jahr – das ist fast anderthalbmal so viel wie die Wertschöpfung der deutschen Landwirtschaft (vgl. Ohlau/Müller 2023). Der mit Abstand größte Anteil entfällt jedoch auf die Gesundheitskosten. Diese „unsichtbaren“ oder indirekten Kosten der Ernährung werden bisher – in der Regel unbemerkt – von der Allgemeinheit getragen – über Steuern, Krankenkassenbeiträge oder durch langfristige Umwelt- und Gesundheitsschäden.

Um die wahren Kosten unserer Ernährung sichtbar zu machen, wurde das Modell des True Cost Accounting (TCA) entwickelt. Hierüber werden die wahrhaftigen, realen Kosten eines Produkts oder einer Dienstleistung erfasst, die über den reinen Kaufpreis hinausgehen. Sie müssen früher oder später bezahlt werden, fließen aber zurzeit nicht bei der Erfassung der ökonomischen Folgen unseres Wirtschaftens ein.

Bildhinweis: eigene Darstellung nach Fitzpatrick/Young (2017) und Ohlau/Müller (2023).

 

Lösungen für eine zukunftsfähige AHV
Bio-Lebensmittel

Ein Ernährungssystem am Limit: Laut dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung entstehen 60–70 % der Lebensmittel in Deutschland unter Bedingungen, die die planetaren Grenzen überschreiten. Besonders hoch sind die versteckten Kosten bei konventionell erzeugtem Fleisch. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete AHV ist daher keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Doch wie lässt sich eine nachhaltige und zukunftsfähige AHV konkret gestalten? Die folgenden Ansätze zeigen praxisnahe Handlungsmöglichkeiten auf:

1. Wahre Kosten sichtbar machen:
TCA-Modelle helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Nachhaltige Produkte, wie z.B. Bio- oder regionale Lebensmittel, wirken zwar auf den ersten Blick teurer, sind aber langfristig gesehen die günstigere Wahl.

2. Nachhaltige Beschaffung fördern:
Bio, saisonal, regional, fair – beachten Sie diese Kriterien systematisch beim Einkauf und bei der Sortimentsgestaltung. Kaffee, Tee, Reis, Bananen und weitere Produkte aus dem globalen Süden sollten konsequent aus fairem Handel stammen – für mehr soziale Gerechtigkeit in den Lieferketten.

Vegetarisches Essen schmackhaft anbieten

3. Gesundes zur einfachen Wahl machen:

Nachhaltige und gesunde Speisen sollten der Standard sein – nicht die Ausnahme. Durch eine ansprechende und gut überlegte Präsentation der nachhaltigen Speisen entscheiden sich Ihre Gäste eher für das nachhaltige Essen. 

4. Fleischkonsum reduzieren:

Eine pflanzenbetonte Ernährung ist gesünder und umweltfreundlicher. Die Reduktion tierischer Produkte ist einer der wirkungsvollsten Hebel für die AHV. Eine klug konzipierte vegetarische Menülinie kann Gäste ausgewogen versorgen, ohne Verzicht zu vermitteln.

5. Abfall vermeiden und Ressourcen schonen:

Von der Lagerung über die Zubereitung bis zur Ausgabe finden sich viele Ansätze zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Angefangen bei der smarten Menüplanung über die Schulung der Mitarbeitenden bis hin zu digital gestütztem Monitoring der Lebensmittel- und Speisenabfälle, hier gibt es viele Möglichkeiten.
 

Zusammengefasst bedeutet dies:

Die AHV hat enormes Potenzial, zu einem Hebel für eine nachhaltige und gesunde Zukunft zu werden. Ein nachhaltiges Ernährungssystem beginnt dort, wo täglich Millionen Menschen essen: in Kitas und Schulen, Kliniken, Seniorenheimen und in der Betriebsgastronomie. Mit klaren Standards, durchdachten Konzepten und bewussten Entscheidungen kann Umweltzerstörung, Krankheitskosten und sozialen Spannungen gegengesteuert werden. Doch dazu müssen wir umdenken: weg vom billigsten Einkaufspreis – hin zu einem echten Verständnis der wahren Kosten und langfristigen Folgen. Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen – ökologisch, gesundheitlich, sozial. Denn nachhaltige Verpflegung ist nicht Luxus, sondern Vorsorge.

Jutta Herr
Über unsere Autoren
Jutta Herr

Jutta Herr ist unsere Expertin für Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Prozesse in der Gemeinschaftsverpflegung. Sie ist Diplom-Oecotrophologin und Qualitätsmanagerin/-auditorin (DGQ) sowie Fachbuchautorin. Ihre Publikation „Qualität richtig managen“ ist ein Leitfaden für Klinik- und Heimküchen bei der Einführung von QM-Systemen.