Megatrends – Treiber nach der Krise

Das neue Normal

dummy2 Im World Conference Center diskutierten Fachleute und Publikum, welche Chancen die Zukunft bringt

Die vergangenen anderthalb Jahre standen ganz im Zeichen der Krise. Beim diesjährige Symposium im World Conference Center in Bonn ging es daher darum, wie diese Krise überwunden werden kann und was die Zukunft für Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung bereithält. Welche Lehren können wir aus der Krise ziehen? Was ist das neue Normal? Und mit welchen Megatrends werden HoGa und Gemeinschaftsverpflegung in den kommenden Jahren zu tun haben? Hochkarätige Experten diskutierten darüber, was auf uns zukommt.

Die Corona-Krise ist für unser aller Leben eine Zäsur. Dabei lautet die vielleicht wichtigste Frage: Wollen wir überhaupt zurück zum "alten Normal"?  Oder schauen wir gespannt auf das "neue Normal" und nutzen die Chancen, die sich für die Food-, Service- und Hotelbranche auftun? CHEFS CULINAR lud renommierte Expertinnen und Experten in den ehemaligen Plenarsaal des World Conference Center in Bonn ein, um darüber zu diskutieren, wie wir den kommenden Megatrends begegnen und unsere Zukunft gestalten möchten. Das Interesse war riesig – 830 Besucher aus der Gastronomie- und Hotelleriebranche sowie aus der Gemeinschaftsverpflegung reisten an, um den spannenden Keynotes und Diskussionen zu folgen.

Mit seiner humorvollen Art führte Journalist, Radiomoderator und Moderationsprofi Tom Hegermann durch den spannenden Tag.

Matthias Horx

Matthias Horx: "Zukunft entsteht, wenn wir die Welt mit neuen Augen sehen"

Wandel wird meist durch Krisen erzeugt. Und Wandel bietet Chancen. Davon ist Matthias Horx, profiliertester Trend- und Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum, fest überzeugt. In seiner Keynote sprach Horx davon, dass Krisen vor allem auch eine klärende Funktion haben. Ob in Sachen Tourismus, beim Thema Fleischverzehr, im generellen Konsum oder in der Medialisierung – in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen ermögliche eine Krise, wie die derzeitige, erst Transformation.

Besonders interessant war Horx' Feststellung: Jeder Megatrend entwickle einen Gegentrend. Nur durch die Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte könne z. B. der Wunsch nach mehr Lokalität im Food-Bereich erklärt werden. Immer mehr Menschen wollen wissen, wo ihr Essen herkommt. Horx plädierte dafür, sich bewusst der Zukunft zu stellen – ohne Angst, sondern mit Zuversicht. "Zukunft entsteht, wenn wir die Welt mit neuen Augen sehen", so schloss er seinen Vortrag ab.

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Hanni Rützler: Köche sind "Pioniere des Wandels"

Das Einkaufsverhalten der Menschen verändert sich in Richtung lokal, nachhaltig und mehr Bio. Gerade in der Pandemie hat sich hier einiges verändert, wie Hanni Rützler, führende Food-Trend-Expertin und Autorin des jährlichen Food-Reports, in ihrem Vortrag präsentierte. Lebensmittel nehmen einen größeren Stellenwert für die Menschen ein. Gesundheit und Nachhaltigkeit werden immer bedeutender. "Man schmeckt genauer hin", wie Rützler sagt. Besonders herausgestellt hat die Food-Trend-Expertin die Rolle der Flexitarier - welchen Unterschied also nicht nur der vollständige Verzicht mache, sondern auch der bewusste Umgang mit Fleisch und tierischen Lebensmitteln.

In Sachen Food-Trends ist sie sich sicher: Plant based Food und "glokal" sind die Themen der kommenden Jahrzehnte. Da die Fusionsküche im Alltag der Menschen immer mehr zur Normalität wird, sei es Aufgabe der Gastronomie, wieder mehr auf die Regionalität zu schauen. Rützler nannte die Köche gar "Pioniere des Wandels". 

Megatrends kommen, um zu bleiben. Und sie kommen, um zu verändern.

CHEFS CULINAR Geschäftsführer Hans-Gerd Janssen
 
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Die Referenten unserer Podiumsdiskussion

Nach der Mittagspause standen die Gemeinschaftsverpflegung und die Hotellerie stärker im Fokus. Otto Lindner, Hotelier und IHA-Vorsitzender, lobte zuallererst den deutschen Markt. Deutschland sei der beste Markt in Europa, um sich nach der Corona-Krise zu erholen. In der Hotellerie normalisiere sich vieles merklich – dennoch hält Lindner ein einfaches "Weiter so" für falsch. Hotels müssten über Weiterentwicklungen nachdenken – gerade auch beim Thema Nachhaltigkeit und Food. So teilte er eine Idee, die in der Lindner-Hotelgruppe bereits umgesetzt würde: gastronomische Aufgaben an wechselnde Partner "outzusourcen" – beispielsweise an Foodtruck-Inhaber, die für einen bestimmten Zeitraum die Küche übernehmen. Das sorge für Abwechslung, frischen Wind und zugleich dafür, dass sich Hoteliers auf ihr Kerngeschäft konzentrieren könnten.

Zur Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern referierte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft DKG. Sein wichtigstes Anliegen war: Krankenhäuser brauchen sichere Planungsgrundlagen und klare Perspektiven, um in die Zukunft zu investieren. Dazu gehöre vor allem, die Krankenhäuser konsequenter in die ambulante Versorgung miteinzubeziehen. Zudem werde die Speisenversorgung für Mitarbeiter zunehmend zum Differenzierungsmerkmal und Wettbewerbsvorteil. 

Auch in der Betriebs- und der Schul- bzw. Universitätsverpflegung setzt ein Wandel ein, wie Burkart Schmid, Chefredakteur der gv-praxis und Mitglied der Chefredaktion weiterer Hotel- und Gastromedien der dfv Mediengruppe, feststellte. So verschmelzen in der Betriebsgastronomie Arbeitsplatz und Gastroangebot immer mehr miteinander – Stichwort New Work. Auch nehme er eine "wahnsinnige Aufbruchsstimmung im Bereich Education" wahr. In Zeiten von immer mehr Ganztagsschulen erfinden sich Schulkantinen völlig neu, probieren neue Konzepte aus. Sein Fazit: "Corona hat das Marktvolumen reduziert, das Mindset verändert und Multi-Channel forciert."

Ranga Yogeshwar

Ranga Yogeshwar

Abschließend hat der bekannte Wissenschaftsjournalist und Diplom-Physiker Ranga Yogeshwar die 830 gespannten Teilnehmer noch einmal auf eine Reise zu den Megatrends der kommenden Jahrzehnte mitgenommen. Künstliche Intelligenz, die Abkehr vom 9-to-5-Bürojob und was diese Trends für unser Leben bedeuten. Damit verband er auch die Frage: "Kommen Menschen noch gesellig beim Essen zusammen, wenn die Job-Kommunikation immer virtueller wird?" Sein Fazit: In gastronomischen Betrieben, in denen bisher vor allem Geschäftsleute zu Gast waren, entsteht neuer Raum. Raum für neue Zielgruppen - für Familien, Freunde und andere private Zusammenkünfte. Unser Bedürfnis nach Nähe wird vor allem im Privaten erfüllt. Um das in einer Welt zu gewährleisten, die immer digitaler wird, nehmen Gastronominnen und Gastronomen in Zukunft eine noch wichtigere Rolle ein. Neben den vielen Chancen, die der Wandel mit sich bringt, sensibilisierte Yogeshwar jedoch auch für die Verantwortung, die wir hinsichtlich unseres Klimas schon heute für die kommende Generation tragen.