Gesund leben mit Bas Kast

Der Buchautor über Ernährung, das Alter und gutes Essen

Buchcover Bas Kasts Buch "Der Ernährungskompass" erreichte Platz 1 der SPIEGEL-Bestseller-Liste

Am deutsch-niederländischen Wissenschaftsjournalisten und Autoren Bas Kast kommt derzeit niemand vorbei: Sein Bestseller "Der Ernährungskompass" wertet auf 300 Seiten so ziemlich jede wissenschaftliche Studie zum Thema Ernährung aus. Auslöser für sein Werk war seine Herzattacke beim Joggen mit Anfang 40 – und das, obwohl der heute 45-Jährige äußerlich fit wirkte. Er fragte sich: Hatte Junkfood seine Gesundheit ruiniert? Wir sprachen mit ihm darüber – und außerdem über Genuss, gesundes Essen und Rezept-Ideen für die Gastronomie.

CHEFS CULINAR: Herr Kast, Sie haben Ihre Ernährung umgestellt und ein Recherchemonster von Buch geschrieben, um sich selbst zu heilen. Ist das gelungen?

Bas Kast: Voll und ganz. Sogar viel besser als erwartet. Sie wissen: Ich litt unter Herzstolpern beim Joggen, was ich aber eher auf die leichte Schulter nahm. Bis ich eine richtige Attacke erlebt habe. Angina Pectoris mit Anfang 40. Schlimm ist dabei nicht einmal der Schmerz, sondern die existenzielle Angst und das Gefühl, völlig machtlos zu sein. Als mir dann meine Schwester nach ihrer Diät beim Joggen regelrecht davongelaufen ist, war mir klar: Ich muss etwas ändern. Und tatsächlich habe ich schon nach ein paar Wochen die ersten positiven Veränderungen festgestellt. Ich spürte, dass es anders wurde. Und nach einem Jahr waren die Herz-Kreislauf-Probleme komplett weg.

Ihr Body-Mass-Index heute?

Das weiß ich nicht genau. Aber sicher unter 25.

Und Ihr Abendessen gestern?

Sushi. Selbst gemacht. Für mich ohne Reis, aber dafür mit Avocado, Lachs und rohen Karotten.

Wie hoch ist Ihre Wahrscheinlichkeit, 100 Jahre alt zu werden?

Das kann man nicht sagen. Es geht mir ja nicht darum, 100 Jahre alt zu werden und dabei von Krankheit geplagt zu sein, sondern so lange wie möglich ein lebenswertes Leben zu genießen.

Wenn man die 300 Seiten Ihres Buches in 2, 3 Sätzen zusammenfassen wollte: Was ist das Geheimnis der Menschen in den Blue Zones, die älter werden und seltener krank?

Essen Sie echtes Essen! Lebensmittel, die auch Ihre Großmutter als Nahrung erkannt hätte. Verzichten Sie auf Industrie-Food und futtern Sie Pflanzen. Sie können gern Fleisch essen, aber in der Nebenrolle. Lassen Sie Gemüse das Zentrum des Tellers sein. Dann sind Sie zu 90 % am Ziel.

Die mediterrane Küche mit viel Olivenöl, fettreichem Fisch und Gemüse gilt als gesund Die von Bas Kast untersuchten Studien zeigen, wie gesund die Mittelmeerküche ist

Ernährung ist ein Thema, das jede Party sprengen kann. Für die einen ist es Religion, Inspiration, ein Ausdruck ihrer Persönlichkeit und des gesellschaftlichen Status. Andere sind genervt und können es nicht mehr hören. Wo also leben wir: in einer Welt der Fast-Food-Junkies und Kann-nicht-Kocher? Oder sind wir auf dem Weg in eine gesündere Zukunft?

Leider auf dem Weg in eine Junk- und Fast-Food-Gesellschaft. Das sehen Sie am besten an den Kindern. Selbst die Kinder am Mittelmeer werden immer fetter. Von Mittelmeerernährung kann am Mittelmeer keine Rede mehr sein. Olivenöl, Gemüse, Obst und Fisch verschwinden zugunsten von gesüßten Softdrinks und Fritten vom Speiseplan. Auch auf Okinawa machen sich die Fast-Food-Ketten breit und verdrängen eine Lebensweise, die einst zu langem Leben geführt hat.

Würden Sie sagen, dass Fast-Food-Konzerne das Leben der Menschen verkürzen?

Das ist sehr monokausal ausgedrückt. Es sind schon mehrere Kräfte daran beteiligt und die Menschen bestellen sich ja freiwillig das Maxi-Menü mit 1 Liter süßer Limonade. Ganz sicher trägt Fast Food dazu bei, so ziemlich alle Altersleiden zu begünstigen und das Leben zu verkürzen.

Im Unterschied zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung – der DGE – halten Sie Fett für überstigmatisiert und verarbeitete Kohlenhydrate für gefährlicher als gemeinhin bekannt. Warum?

Die DGE ist, auch was die verarbeiteten Kohlenhydrate und insbesondere den Zucker angeht, sehr vorsichtig. Da sind wir auf einer Linie. Was ich aber sehr merkwürdig finde, ist die Empfehlung der DGE, die Kalorien aus Fett auf 30 % zu begrenzen. Das kann gesund sein – ist aber nicht der einzige Weg. Die klassische mediterrane Diät weist typischerweise über 40 % der Kalorien aus Fett auf. Aber aus Olivenöl, aus Nüssen und aus fettreichen Fischen. Es gibt empirisch gesehen keinen Grund, auf diese Fette zu verzichten. Eher sollte man über die konkreten Lebensmittel sprechen.

Bas Kast wünscht sich Gastronomen, die auch mal vegetarische Delikatessen auf den Tisch bringen Bas Kast wünscht sich Gastronomen, die auch mal vegetarische Delikatessen auf den Tisch bringen

Ihr Buch richtet sich an Otto Normalverbraucher. Wie lautet Ihre Botschaft für Gastronomen und Hoteliers?

Es wäre schön, wenn Gastronomen mehr nach diesen Prinzipien kochen würden. Wenn nicht mehr nur Fleisch im Vordergrund steht, sondern auch mal vegetarische Delikatessen. Wenn man anfangen würde, Gemüse wirklich schmackhaft zu machen und mehr Fisch auf die Speisekarte zu setzen, würden wir davon alle profitieren.

Fleisch und Fisch sehen Sie als Beilage – aber haben Sie mal versucht, einem Gast eine 50-g-Roulade zu Spätzle und Gemüse zu servieren? Das gibt doch Diskussionen!

Na klar. Aber sind Diskussionen etwas Schlechtes? Natürlich ginge das gegen unsere Gewohnheit. Und natürlich schmeckt eine gut gemachte Roulade sehr lecker. Nur: Gesund ist es nicht. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die große Roulade will – oder gesund alt werden.

Für manche sind Genuss und Gesundheit nicht 2 Seiten einer Medaille, sondern ein Widerspruch. Muss man das auflösen?

Das sollte man. Sehen Sie: Wir arbeiten gerade an einem Kochbuch und die Rezeptentwicklerin sagte gleich: "Ich komm vom Genuss." Für mich ist das keine Widerspruch zu gesunder Ernährung, im Gegenteil! Gutes Essen ist eines der Dinge, die unser Leben lebenswert machen. Es kann also nur über Genuss gehen, übers Sattwerden. Viele Diäten scheitern, weil sie die Menschen hungrig lassen. Man muss für sich selbst seinen Weg finden. Es muss nicht Low Carb sein, aber es kann. Es muss nicht Low Fat sein, aber es geht. Es kann sogar Paleo sein. Oder vegan, vegetarisch, pescetarisch.

Was bringt die Zukunft? Gastrokonzepte, die voll auf gesundes Essen setzen, oder einen langsamen Wandel auf breiter Front?

Das weiß ich nicht. Vielleicht werden es beide Entwicklungen parallel sein. Es wird sicher mehr Gastronomen geben, die auf gesund oder pseudogesund setzen. Entscheidender aber ist ein Bewusstseinswandel der Leute.  Nur dadurch wird etwas zu ändern sein. Die Gastronomie wird ihr Angebot dann schnell der Nachfrage anpassen.