Recruiting der jungen Fachkräfte: Andere Generation, andere Erwartungen
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CHEFS Stories Business & Management Recruiting der jungen Fachkräfte: Andere Generation, andere Erwartungen

Geschäftsführerin Dr. Caroline von Kretschmann im Interview

Welche Stellschrauben sind entscheidend, damit junge Talente nachrücken – und bleiben?

Familiengeführtes Hotel europäischer Hof

Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen in Hotellerie, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, Bewerber:innen fehlen und die Nachwuchslücke wächst. Viele Betriebe fragen sich, wie sie die Generation Z überhaupt noch erreichen können.

Doch es gibt Ausnahmen. Der familiengeführte Europäische Hof Heidelberg, ein 5-Sterne-Superior-Hotel in vierter Generation, hat alle Ausbildungsplätze besetzt und erhält sogar mehr Bewerbungen, als er benötigt. Ein Sonderfall, der sich bereits über viele Jahre hinweg eine privilegierte Stellung erarbeitet hat, gewiss. Aber einer, der zeigt, welche Stellschrauben entscheidend sein können. Die Prinzipien, auf die geschäftsführende Gesellschafterin Dr. Caroline von Kretschmann setzt, lassen sich auch auf andere Betriebe übertragen. Sie hat uns dazu konkrete Fragen beantwortet.

Junge Menschen wollen eine kooperative, empathische und wertorientierte Unternehmens-, Führungs- und Kommunikationskultur

Frau Dr. von Kretschmann, was können Hoteliers oder Arbeitgebende in der Servicebranche tun, um den Nachwuchs wieder für die Branche zu begeistern?

"Die Anforderungen an attraktive Arbeitsplätze haben sich grundlegend verändert. Früher konnte man ganze Generationen mit klaren Karrierewegen, Firmenwagen oder Beförderungen motivieren. Heute suchen junge Menschen etwas anderes: Sie wollen eine ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Berufsleben, eine Aufgabe, der sie Sinn verleihen können, nachhaltiges Handeln des Unternehmens und eine klare Gemeinwohlorientierung. Zielführende Ansätze wie zum Beispiel die Vier-Tage-Woche und flexible Arbeitszeitmodelle sind sicherlich wichtige Bausteine, um im Wettbewerb um Talente grundsätzlich mithalten zu können. Entscheidend ist meiner Ansicht nach aber vielmehr eine kooperative, empathische und wertorientierte Unternehmens-, Führungs- und Kommunikationskultur, die durchgängig, authentisch und überzeugend gelebt wird. Daran werden wir zukünftig gemessen werden."

Erfolgreiche Mitarbeiterführung im Europäischer Hof in Heidelberg

Was liegt Ihrer Meinung nach nicht in der Hand der Branche?

"Was nicht in unserer Hand liegt, sind die Folgen des demografischen Wandels. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, die Gesellschaft wird älter, die Zahl der Nachwuchskräfte sinkt und das nicht nur in unserer Branche, sondern überall. Deshalb wird es uns auch mit Zuwanderung oder dem Abwerben aus anderen Sektoren nicht gelingen, die Lücke dauerhaft zu schließen. Mittel- bis langfristig führt daher kein Weg daran vorbei, standardisierte, administrative Tätigkeiten durch Automatisierung und Einsatz von künstlicher Intelligenz zu unterstützen. So können wir die wertvollen Mitarbeitenden dort einsetzen, wo ihre Stärken unverzichtbar sind: im direkten Kontakt mit Menschen, wo Empathie und Flexibilität notwendig sind."

Europäischer Hof in Heidelberg

Sie haben 165 Mitarbeitende, davon 35 in Ausbildung. Sind alle Ihre Ausbildungsplätze besetzt?

"Ja und darüber freuen wir uns sehr. Alle Plätze sind vergeben, an wunderbare junge Menschen, die Lust haben, mit uns zu wachsen. Wir erhalten sogar mehr Bewerbungen, als wir Plätze haben. Das verdanken wir einerseits unserer Sichtbarkeit über Social Media: Dort wird spürbar, dass man bei uns nicht nur arbeitet, sondern Teil eines gemeinsamen Traums wird, mit Raum zum Lernen, Entfalten und Gestalten. Andererseits sind es die Empfehlungen unserer eigenen Auszubildenden, die uns besonders berühren. Wenn Kolleginnen und Kollegen sich hier so wohlfühlen, dass sie ihre Freunde oder Familienmitglieder ermutigen, ebenfalls bei uns einzusteigen, ist das für uns das schönste Kompliment."

Zufriedene Mitarbeiter im Europäischen Hof in Heidelberg

Welche Fehler oder Defizite führen dazu, dass begabte und motivierte Mitarbeitende einen Betrieb verlassen oder gar nicht erst dort anfangen möchten?

"Die meisten verlassen nicht ihre Stelle, sie verlassen ihre Führungskraft. Menschen gehen, wenn sie sich nicht gesehen fühlen, wenn ihnen Wertschätzung fehlt oder wenn ihre Arbeit keinen erkennbaren Unterschied macht. Wir reden heute viel über Benefits, Obstkörbe oder Tischkicker. Doch der wahre Grund, warum Talente bleiben oder gehen, ist meistens die Kultur. Mitarbeitende wollen Teil von etwas Sinnvollem sein, sich entwickeln, gehört werden. Wenn Führungskräfte dafür kein Ohr und keine Haltung haben, suchen sich die Besten einen Ort, an dem genau das möglich ist. Am Ende ist es einfach: Wer Mitarbeitende wie austauschbare Ressourcen behandelt, darf sich nicht wundern, wenn sie irgendwann wie solche handeln und weiterziehen."

Koch im Europäischer Hof in Heidelberg

Wie finden Sie Ihre Mitarbeiter:innen – und wie finden Ihre potenziellen Mitarbeiter:innen Sie? Welche Rolle spielt Social Media dabei?

"Oft ist es so, dass wir gefunden werden. Marketing und insbesondere Social Media sind dabei entscheidend: nicht als Werbefläche, sondern als Schaufenster unserer Kultur, der Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und um zu zeigen, wer wir sind, damit die Menschen wissen, wofür wir stehen. Dadurch sprechen wir vielen Menschen an. Gäste genauso wie potenzielle Kolleginnen und Kollegen.  Bei fast jedem Bewerbungsgespräch höre ich auf meine Frage, warum jemand zu uns möchte, dieselbe Antwort: „Weil ich Teil dieses Spirits werden möchte.“ Haltung und Authentizität wirken stärker als jede Stellenanzeige."

Europäischer Hof

Wie wichtig ist Personal Branding in der Führung für die Gewinnung von Mitarbeitenden?

"Personal Branding ist längst keine Kür mehr, sondern Pflicht. Menschen wollen wissen: Wer steckt hinter einem Unternehmen? Welche Werte prägen die Führung? Talente folgen nicht anonymen Logos, sondern Persönlichkeiten, die glaubwürdig und sichtbar sind. Wenn eine Unternehmerin oder ein CEO mit Klarheit, Haltung und Leidenschaft auftritt, schafft das Nähe und Vertrauen. In einer Zeit, in der klassische Stellenanzeigen kaum noch wirken, öffnen starke Persönlichkeiten Türen, erzeugen Resonanz und ziehen die richtigen Menschen an. Wir machen die Erfahrung, dass Marken Aufmerksamkeit schaffen, Menschen aber schaffen Beziehungen."

Mitarbeiterinnen vom Europäischen Hof in Heidelberg

Auf Ihrer Homepage schreiben Sie: „Wer glückliche Gäste haben will, muss glückliche Mitarbeitende haben.“ Wie setzen Sie das konkret um?

"Freude lässt sich nicht verordnen, sie muss im Alltag erfahrbar werden. Konkret heißt das: Wir vertrauen unseren Mitarbeitenden, geben ihnen Verantwortung, fördern ihre Stärken, geben Feedback, schaffen Lernmöglichkeiten und achten auf eine gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben. Wir legen Wert auf Humor, auf gute Beziehungen und auf ein Klima, in dem Menschen ihr ganzes Potenzial entfalten können. Freude ist kein Programm. Freude ist das Ergebnis einer gelebten Kultur und eines bewussten Miteinanders."

Kolleginnen und Kollegen stehen an erster Stelle

Was macht eine Karriere bei Ihnen besonders?

"Das Herzstück unseres Hauses ist unsere ganz besondere Unternehmens- und Führungskultur. Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, unsere Kolleginnen und Kollegen stehen an erster Stelle, noch vor dem Gast und weit vor dem Unternehmen. Eine Karriere bei uns bedeutet nicht, einfach einen Job auszuüben, sondern Teil einer Kultur zu werden, die auf Empathie, Vertrauen und Freude gründet. Wir bieten keine bloße Stelle, sondern eine Bühne, auf der Menschen wachsen können. Dienstleistung verstehen wir nicht als Pflicht, sondern als Kunst und als zutiefst menschliche Herzenssache. Wer zu uns kommt, erfährt, was es heißt, Teil einer traditionsreichen und zugleich zukunftsorientierten Familie zu sein, die seit vier Generationen Verantwortung lebt und stetig weiterentwickelt. Diese Kombination aus gelebten Werten, echtem Miteinander und dem Mut zur Erneuerung ist das, was uns von vielen anderen Betrieben unterscheidet."

Neue Generation

Inspiration für andere Betriebe

Klar ist, dass der Fachkräftemangel nicht einfach so verschwindet. Jedoch ist er gestaltbar. Im Interview mit Dr. Caroline von Kretschmann wird deutlich: Wer die nächste Generation verstehen will, sollte sich auf sie, auf ihre Werte, ihre Sprache, ihre Sehnsucht nach Sinn einlassen. Stellschrauben, wie eine authentische Kultur, klare Führung oder Sichtbarkeit im digitalen Raum, können den Unterschied machen. Diese Prinzipien sind Unternehmens- und Branchenübergreifend. 

 

Das verwendete Bildmaterial wurde freundlicherweise vom Europäischen Hof Heidelberg zur Verfügung gestellt. © Europäischer Hof Heidelberg