Ein Blick in die Zukunft unserer Branche
Unter dem diesjährigen Thema „Zeitenwende“ spannte das CHEFS CULINAR Symposium im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages einen Bogen um Künstlicher Intelligenz, Klima-Cuisine und Personalmangel. Den Besuchern und Besucherinnen boten sich viele neuen Denkanstöße, Lösungsansätze und Ausblicke in die Zukunft der Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung aus verschiedenen Perspektiven. Die fünf Vorträge und die Podiumsdiskussion der anwesenden Experten und Expertinnen beschäftigten sich mit dem Klimawandel, Ernährung, Digitalisierung, Auswege aus dem Fachkräftemangel und mit den Chancen von Künstlicher Intelligenz. Die Pausen empfingen die Gäste mit Erfrischungen und einer Varianz an Köstlichkeiten und baten darüber hinaus auch die Möglichkeit, zu Netzwerken.
Dr. Eckart von Hirschhausen – Gesunde Erde, gesunde Menschen
Der erste Vortrag des Tages wurde von dem Arzt, Wissenschaftsjournalist und Comedian Dr Eckart von Hirschhausen gehalten und beschäftigte sich sehr unterhaltsam mit der Gesundheit der Erde und der Menschen und wie sich beides bedingt. Er beschreibt in dem Zusammenhang die geeignete Ernährung, die Mensch und Erde gesund hält, beziehungsweise wieder gesund machen kann: Die „Planetary Health Diet“. Das bedeutet weniger Fleisch und mehr Gemüse auf dem Teller, weniger prozessierte Lebensmittel, mehr regionale und saisonale Kost. Besonders Kinder sollten früh von zu viel Zucker geschützt werden, am liebsten durch eine obligatorische Kennzeichnung der Nahrungsmittel. Von Hirschhausen betont in diesem Zusammenhang die Macht der Gewohnheit, denn eine Umstellung der Ernährung ließe sich mit gutem Willen leicht erreichen. Die Erde würde diese umweltbewusste Ernährung wiederum den Menschen mit gesünderer Luft, gesünderem Boden und weniger klimabedingten Katastrophen danken. Im Endeffekt könnten wir mit der Umstellung der Nahrungsmittelindustrie einen positiven Einfluss auf den Rückgang des Klimawandels nehmen. „Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist nichts.“ Dr. von Hirschhausens größtes Anliegen ist, dass wir als Menschheit verstehen, dass wir nur gemeinsam die Veränderung, die es so dringend braucht, erreichen können – und dass trotzdem jeder einzelne Mensch und jede noch so kleine Änderung im eigenen Verhalten einen Unterschied machen.
Heiner Raschhofer – den Arbeitsplatz zum Lieblingsplatz machen
Die Etablierung des Arbeitsplatzes als „Lieblingsplatz“ stand für Gastronom Heiner Raschhofer in seinem anschaulichen Talk im Vordergrund, denn für ihn gibt es nichts Wichtigeres, als gut ausgebildete und glückliche Mitarbeitende: „Wirklich gut kann man nur etwas machen, wenn man Spaß daran hat.“ Raschhofer erklärt in seinem Vortrag sein bewusstes und positives Employer Branding, sowie den Leitfaden, anhand dessen er seine „Lieblingsplätze“ ins Leben ruft und den er diszipliniert in allen Betrieben durchsetzt: Ein Lieblingsplatz ist für ihn ein Platz, an dem „man so sein kann, wie man ist und sich sicher fühlen kann. An dem man weiß, was von einem erwartet wird, an dem man mitgestalten kann, wachsen und sich entwickeln kann und Gleichgesinnte trifft, aber sich auch an gewisse Regeln hält.“ Diese Regeln beginnen beim Führen und Agieren auf Augenhöhe und haben im Fundament ein simples „Bitte“ und „Danke“. Auch die Digitalisierung spielt für ihn eine wichtige Rolle, und zwar nicht nur im Bestellsystem: Die Kennzahlen, die auf Erfolg oder Misserfolg im Betrieb deuten, werden digital gemessen und die Ergebnisse den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gespiegelt. Durch die Analyse werden auch kleine Erfolge erkannt und können so zu großen werden. Das wird dann natürlich gemeinsam gefeiert.
Alexander Mayrhofer – Klinik mit Hotelsternen
Hotelmanager und Gastgeber Alexander Mayrhofer ist es gelungen, ein innovatives und nachahmungswertes Klinikverpflegungskonzept inklusive starker Mitarbeiterbindung zu etablieren, wovon er in seinem Beitrag mit interessanten Anekdoten und praktischen Ratschlägen erzählte. Die Waldkliniken Eisenberg wurden bewusst von einem Architekten entworfen, der noch nie eine Klinik gebaut hatte, in der Küche wird auf hohem Niveau frisch gekocht, das Personal bekommt einen sehr flexiblen Arbeitszeitenvertrag und die Zimmer sind mit vier bis fünf Hotelsternen ausgezeichnet. Für Alexander Mayerhofer sind Gesundheit und Ernährung untrennbar miteinander verbunden – deswegen serviert die Klinik „Essen, das guttut“. Er ist überzeugt davon, dass gutes Essen den Heilungsprozess unterstützt. Das sei, so Mayrhofer, wiederum wirtschaftlich, denn gingen die Gäste früher, so werde auch früher ein Bett frei – und er kann den nächsten Gast willkommen heißen. Mayrhofer regt an: „Lasst uns wieder kochen, mit ordentlichen Produkten, dann bekommen wir auch wieder Fachkräfte und vor allem gute Qualität auf dem Teller“. Derzeit gibt es keine unbesetzte Stelle, obwohl der Standort abgelegen ist. Das alles leistet die Orthopädische Klinik Eisenberg für alle Kassenpatienten- und patientinnen und mit genau so viel Kapital, wie jede andere Klinik, denn die Träger sind kommunal und keine Investoren, wie man vielleicht vermuten könnte. „Geht das auch in schön?“ fragt sich Mayrhofer an jeder Ecke – und damit ist nicht nur im Sinne der Ästhetik gefragt, sondern auch im Sinne von Wertigkeit und Wertschätzung.
Katharina Darisse – dem Fachkräftemangel begegnen
Für die Geschäftsführerin der Fair Job Hotels e.V. Katharina Darisse ist die Wichtigkeit von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gar nicht hoch genug zu halten. In ihrem Vortrag lässt uns die Unternehmerin an interessanten Praxisbeispielen teilhaben, sowie an Daten und Fakten, die ihre These belegen. Perspektivisch, so Darisse, wird der Fachkräftemangel zunehmen, wenn 2030 die letzten der sogenannten Baby-Boomer in Rente gehen. Die Generation Z rückt wiederum jetzt schon nach, doch habe diese bezüglich der Arbeitsbedingungen ganz andere Werte, Einstellungen und Anforderungen als die bisherigen Generationen. Um Fachkräfte anzuwerben und zu halten, sei generell bei der Rekrutierung eine Zielgruppenanalyse wichtig. Sie fragt: „Arbeiten wir nur für Geld?“ und ihr Fazit ist ein klares „Nein“. 66 Prozent der Mitarbeiter:innen fühlten sich nämlich, so Darisse, durch Wertschätzung am meisten motiviert. Ein kreatives Beispiel, um Wertschätzung auszudrücken, erlebte sie in einem Hotel, das 2016 kaum noch Auszubildende verzeichnen konnte und daraufhin den eigenen Auftritt den Auszubildenden gegenüber zu reflektieren begann. 2017 änderte sich dort alles: Für die Schülerpraktikanten und -praktikantinnen aus der Umgebung gab es ab jetzt ein Willkommens-Geschenkpaket, eine professionelle Uniform, einen übersichtlichen Arbeitsplan, und das Wichtigste: Die Schüler:innen wurden ab dem ersten Tag vom gesamten Personal namentlich begrüßt. Mittlerweile sind alle 33 Ausbildungsplätze mit ehemaligen Schülerpraktikanten und -praktikantinnen aus der Umgebung besetzt. Die Mitarbeiterbindung, die durch die entgegengebrachte Wertschätzung entstand, ist für den Betrieb von großem Wert, nicht zuletzt finanziell. Mit Digitalisierung und Automatisierung, die einen Einsatz der verbleibenden Fachkräfte an relevanten Stationen möglich machen, beschreibt Darisse weitere Auswege aus dem Fachkräftemangel.
Sven Gábor Jánsky – die Chancen von Künstlicher Intelligenz
Im Mittelpunkt des fünften und letzten Vortrags des Tages standen die Künstliche Intelligenz und ihre Anwendungsbereiche in der Lebensmittelindustrie. Der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánsky betonte in seiner kreativen und unterhaltsamen Präsentation, dass wir keine Wahl haben – die Zukunft kommt, ob wir wollen oder nicht. Wie wir die Zukunft möglichst gut nutzen und gestalten, das ist es, wo wir ansetzen können und sollten, so Jánsky. KI sei in der Lebensmittelbranche in allen Prozessen nutzbar, in denen Daten eine Rolle spielten, denn sie könne hilfreiche Prognosen liefern. Schon heute erführen Unternehmen, die KI in Bereichen wie Sales, Marketing, Softwareentwicklung oder Kundenservice nutzten, eine Produktivitätssteigerung von etwa 70 Prozent. Ab 2025 plant das Unternehmen Tesla, humanoide Roboter für 20.000 bis 30.000 Euro auf den Markt zu bringen, die unter anderem Care-Arbeit übernehmen könnten – hier sieht Jánsky eine Chance, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und überdies den Menschen mehr Zeit für Zwischenmenschliches zu geben, am Arbeitsplatz und zu Hause. Der Hunger auf der Erde, unter anderem bedingt durch den aus fortgeschrittener Medizin resultierenden Bevölkerungszuwachs, sei ein Problem in Bezug auf Ressourcen jeglicher Art und eben auch der Nahrungsmittelversorgung. Doch ließe sich mit neuen Technologien auch neue Formen der Nahrung herstellen, die nahrhaft, ressourcensparend und umweltbewusst sein könnte. Der Zukunftsforscher blickt positiv in die Zukunft, denn „in der gleichen Zeit, in der Probleme entstehen, erfinden wir Menschen auch schon die Lösung.“