Foodreport 2021

Drei Wege aus der Krise

Hanni Rützler Hanni Rützler ist eine renommierte Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrendforscherin. Bild: Nicole Heiling

Wie hat die Corona-Pandemie die Gastronomie verändert? Wo geht der Weg hin und welche Konzepte bestehen auch nach der Krise? Das und mehr verrät uns Foodexpertin und Zukunftsvisionärin Hanni Rützler in ihrem brandaktuellen Foodreport 2021.

Ghost Kitchen, Biodiversity und Liquid Evolution – das sind laut Hanni Rützler die 3 Zukunftschancen der Gastronomie. Somit geht der Weg hin zu einer neuen kulinarischen Vielfalt und zu mehr alkoholfreien Getränken auch als Speisenbegleiter. Wir haben uns für Sie schlau gemacht und zeigen Ihnen, was das genau für die Gastro-Branche bedeutet und was dahintersteckt ...

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Ghost Kitchen

Durch Corona ist die "Geisterküche" weiter in den Vordergrund gerückt: In den so genannten "Delivery-only-kitchen" wird zwar gekocht, aber nicht gegessen. So kommen diese Restaurants ganz ohne Tische, Stühle und Bedienung aus. Die Speisen werden über einen Lieferservice geliefert und Zuhause verzehrt. "Mit den Ghost Kitchens hat sich freilich schon vor der Krise eine Disruption der Alltagsgastronomie angekündigt", so Expertin Hanni Rützler, "Nun passiert sie schneller als erwartet. Die mit Geisterküchen operierenden neuen Food-Delivery-Plattformen entwickeln sich zum Netflix und Spotify der Gastro-Branche".

Die Vorteile einer Ghost Kitchen ist nicht von der Hand zu weisen: Kein Gastraum, also auch keine Kosten für Servicekräfte und Interior. Das Hauptaugenmerk liegt bei den Köchen, der Küchencrew und der Ausstattung der Küche selbst, deren Mietkosten sicherlich geringer ausfallen. Bestell-Plattformen wie Lieferheld, Lieferando, Deliveroo und Foodora sind bereits vorhanden und "helfen" bei der Vermarktung und Speisenverteilung. Ein werbewirksames Logo, ein verlockendes Konzept und natürlich leckeres Essen – schon kann's losgehen! Somit können die "Geisterküchen" einerseits schnell und flexibel auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden reagieren und sich andererseits an neue Küchen- und Food-Trends anpassen. Auch Standorterweiterungen oder -wechsel können zügig umgesetzt werden.

Fazit von Hanni Rützler: "Die Coronakrise ist der entscheidende Treiber und zugleich der Stresstest für alternative Gastronomie-Konzepte. Wenn die Essenszustellung in der Krise gut funktioniert und die Qualität der Speisen überzeugt, haben Ghost Kitchens die Chance, sich im Mainstream zu etablieren und zu einem Teil der alltäglichen Esskultur zu werden".

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Biodiversity

Laut der international anerkannten UN-Biodiversitätskonvention wird der Begriff "Biodiversity" wie folgt definiert: "Biodiversity bedeutet "biologische Vielfalt"; die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme".

Auf den Punkt gebracht, lässt sich die Biodiversität auch als "Vielfalt des Lebens" bezeichnen. "Eine hohe biologische Vielfalt ist der Maßstab für eine gesunde Umwelt für uns Menschen und eine intakte Natur". (innovative-nature.at). Doch aufgrund des Klimawandels und der immer intensiver werdenden Landwirtschaft verschwinden täglich viele Pflanzen- und Tierarten für immer. Dazu ergaben Schätzungen des FAO – The State of the World's Biodiversity for Food and Agriculture –, dass von den weltweit existierenden 380.000 Pflanzenarten, nur gut 30.000 davon für den Menschen potenziell und nur 6.000 tatsächlich genutzt werden. D.h. nur ein Bruchteil landet auf unseren Tellern. Landwirte in Deutschland spezialisieren sich meist auf Hochertragssorten, wie Weizen oder Obst- und Gemüsesorten, die wegen ihres Ertrags, Aussehens und ihrer Lager- und Transportfähigkeit bevorzugt werden. Dabei gilt: Was wir gerne essen, wird angebaut und gezüchtet. Was wir nicht nutzen, stirbt aus. Hanni Rützler appelliert: "Um die globale Ernährungsversorgung künftig gewährleisten zu können, braucht es eine Besinnung auf die Vielfalt von Nutzpflanzen und -tieren. Agrobiodiversität macht die Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels resilienter und sorgt zugleich für eine Bereicherung unserer Ernährung. Die Köche und Gastronomen sind dabei Zukunftsbotschafter, die ihren Gästen die kulinarische Vielfalt unserer Natur schmackhaft machen und zum Nachahmen anregen. Sie sind das entscheidende Bindeglied zwischen ProduzentInnen und Konsumenten, denn sie bringen diese Vielfalt auf den Teller und machen sie erlebbar".

Fazit von Hanni Rützler: "Gastronomen, die ihren Gästen bisher unbekannte, vergessene und neuartige Geschmacksnuancen in ihren Speisen präsentieren, bereiten damit auch den Weg für einen Wandel im Lebensmittelhandel: von der Fülle zur Vielfalt".

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Liquid Evolution

Alkoholfreie Getränke sind in und waren bereits vor der Coronakrise auf dem Vormarsch: Ob pur oder in Kombination mit verschiedenen Säften – die "Urban Drinks" gehören zu einem modernen Gastronomiekonzept und verkörpern dabei meist einen gewissen Gesundheits- oder Wellness-Aspekt. Klassische Limonaden, fermentierte Drinks, coole Tees oder auch alkoholfreie Weine erobern momentan die Getränkekarten. "Die Beverage-Branche verzeichnet ungebrochen eine steigende Nachfrage nach alkoholfreien Getränken – von aromatisierten Mineralwasser und Vitamindrinks über alkoholfreie Biere bis hin zu "Virgin Cocktails" und alkoholfreien Spirituosen", erklärt Hanni Rützler. "In der Spitzengastronomie gehört es heute zum guten Ton, neben einer Weinbegleitung auch eine exquisite Saft- und Teebegleitung zu offerieren, die mit ihren Aromen perfekt auf die Speisen abgestimmt ist".

Jede Veränderung bzw. Anpassung erfordert Mut. Doch wer die Krise auch als Chance sieht und sich traut neue Wege zu gehen, ist auch in Zeiten von Corona gut aufgestellt. Sicher ist: Es bleibt weiterhin spannend, wohin uns die Entwicklungen führen. Über weitere Zukunftsprognosen und Trends halten wir Sie natürlich auf dem Laufenden ...