Warum unser Geschmackssinn durch Fett, Salz und Zucker abstumpft
Und wie Sie in der Gemeinschaftsverpflegung gegensteuern können
Haben Sie schon einmal eine Speise als zu salzig, zu süß oder zu fettig wahrgenommen, während Ihr Tischnachbar sie als genau richtig empfand? Menschen, die häufig stark gesalzene Speisen zu sich nehmen, erleben eine Anpassung ihres Geschmackssinns: Weniger gesalzene Gerichte erscheinen ihnen fad. Diese Gewöhnungskapazität des Salzgeschmacks ähnelt dem bekannten Phänomen bei Zucker, wonach regelmäßiger, hoher Zuckerkonsum die Sensibilität gegenüber Süße reduziert.
Wir zeigen, was passiert, wenn unsere Sinne sich an intensive Aromen gewöhnen – und wie Sie in der Gemeinschaftsverpflegung Genuss und Gesundheit wieder in Einklang bringen können.
So lässt sich der Geschmackssinn gezielt schulen
Aktuelle Studien belegen, dass durch eine schrittweise Reduktion des Salzanteils der angebotenen Speisen der Geschmack für weniger salzige Speisen geschult werden kann, wodurch gleichzeitig die aufgenommenen Natriumwerte sinken – was gerade bei Menschen mit Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen einen enormen gesundheitlichen Vorteil mit sich bringt.
Für Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung bedeutet das: Wenn der Salzgehalt und stark salzige Würzungen langsam reduziert werden, können die Gäste und Bewohnende über Wochen hinweg wieder empfindlicher auf Salz reagieren. Gleiches gilt für den Zucker- und Fettgehalt. Ohne abrupte Umstellungen können so sowohl gesundheitliche Risiken gesenkt als auch der Geschmack gewahrt bleiben. Wird der Salzgehalt eines Produkts reduziert, sollte gleichzeitig sichergestellt werden, dass das gesamte Nährwertprofil gesundheitsförderlich bleibt und dabei nicht etwa der Anteil an Fett oder Zucker zunimmt.
Wie viel Salz, Zucker und Fett gelten pro Tag als empfehlenswert?
Salz
Ein Erwachsener sollte maximal 6 g Salz pro Tag aufnehmen. Für Kinder gelten je nach Alter 3 bis 6 g pro Tag als Obergrenze. Wichtig dabei: Zur täglichen Salzmenge zählen sowohl das zugesetzte Salz beim Kochen oder Nachsalzen als auch das „versteckte“ Salz, das in verarbeiteten Lebensmitteln wie Brot, Käse, Wurst oder Knabbereien enthalten ist.
Zucker
Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet: Nicht mehr als 10 % der täglichen Energiezufuhr sollten aus freiem Zucker stammen. Das entspricht bei einem durchschnittlichen Erwachsenen etwa 50 g Zucker pro Tag. Besorgniserregend: Kinder zwischen 6 und 10 Jahren nehmen im Schnitt bereits rund 17 % ihrer Energie aus Zucker auf. (Perrar, Schmitting, Della Corte et al., 2018)
Fett
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass maximal 30 % der Gesamtenergiezufuhr aus Fett stammen sollte. Dabei sollten gesättigte Fettsäuren, also die „ungünstigen“ Fette aus z. B. Butter, Wurst oder Fast Food, nur 7–10 % der Energiezufuhr ausmachen. Tatsächlich liegt die Fettzufuhr in Deutschland deutlich über diesen Empfehlungen – insbesondere bei den gesättigten Fettsäuren: Diese werden laut der Nationalen Verzehrsstudie II (MRI, 2008) sogar nahezu doppelt so häufig aufgenommen wie empfohlen.
Besonders in der Weihnachtszeit wird mit Plätzchen, Braten und würzigen Soßen besonders gern geschlemmt. Aber auch das ganze Jahr über bieten stark gesalzene, fett- und zuckerhaltige Leckereien Anreize. Für die Gemeinschaftsverpflegung bedeutet das jedoch eine besondere Herausforderung: Wie lassen sich diese beliebten Geschmacksrichtungen so umsetzen, dass sie Genuss bieten, aber gleichzeitig ausgewogen und gesundheitsbewusst bleiben? So gehen Sie vor:
1. Reduzierung von Salz (Natriumchlorid)
a) Verwenden Sie natürliche Aromen und Gewürze
- Reduktion von Salz: Anstatt Salz als primäre Würze zu verwenden, können Kräuter, Gewürze und Aromen wie Zitrone, Knoblauch, Ingwer, Chili oder essigbasierte Dressings eingesetzt werden. Diese verstärken den Geschmack der Speisen und machen zusätzliches Salz überflüssig.
- Wählen Sie Zutaten, die intensiv im Geschmack sind, wie z. B. Tomatenmark, Kapern, Senf, getrocknete Pilze oder salzreduzierte Misopaste, die einem Gericht einen herzhaften Umamigeschmack verleiht.
- Arbeiten Sie mit säurehaltigen Komponenten wie Zitronen- oder Limettensaft oder Essig, um ein Gericht geschmacklich aufzuwerten.
b) Verwenden Sie salzreduzierte oder -freie Alternativen
- Salzreduzierte Produkte: Immer mehr Hersteller bieten Produkte an, die wenig oder kein Salz enthalten, wie z. B. salzfreie Brühen, Soßen, Gewürzmischungen und Fertigprodukte. Kaliumchlorid-Salz wird in der Gemeinschaftsverpflegung nur gezielt eingesetzt, da Geschmack und Verträglichkeit begrenzt sind.
- Lassen Sie sich nicht täuschen! Gemüsebrühenpulver, Fertigsoßen, Flüssigwürze oder Sojasoße enthalten oft sehr viel Salz und sind deshalb kein geeigneter Ersatz.
c) Kochen Sie hauptsächlich frisch
- Der Großteil der Salzzufuhr stammt aus verarbeiteten Lebensmitteln und Fertigkomponenten.
d) Wenn Salz verwendet wird, sollte bevorzugt Jodsalz eingesetzt werden
2. Reduzierung von Zucker
a) Passen Sie Rezepte an
- Einfache Rezeptanpassungen sind der erste Schritt, um die Zuckermenge in Speisen zu reduzieren. Im DGE-Projekt „Start Low“ (2024) konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass es in der Zielgruppe der Kita- und Schulkinder möglich ist, den Zucker in Desserts um bis zu 40 % zu reduzieren, ohne dass sich die Akzeptanz für das Dessert verändert hätte.
- Zucker durch clevere Produktkombination reduzieren: In Produkten wie Pfannkuchen lässt sich der Zuckergehalt deutlich senken, wenn diese mit süßen Soßen serviert oder mit Puderzucker bestreut werden – der süße Gesamteindruck bleibt erhalten, auch bei reduzierter Zuckerzugabe im Teig
- Setzen Sie statt Zucker Gewürze und natürliche Aromen ein, z. B. Zimt, Vanille und Zitronenabrieb.
b) Reduzieren Sie Zucker durch natürliche Süßungsmittel
Fruchtsüße: Durch pürierte Früchte wie Apfelmus, Bananen oder Datteln kann Zucker in Desserts, Smoothies oder Soßen reduziert werden, ohne den Geschmack zu beeinträchtigen.
Das Argument, dass Früchte ebenfalls Fruchtzucker enthalten, stimmt zwar – jedoch handelt es sich um deutlich weniger isolierten Zucker als in Haushaltszucker. Zudem enthalten Früchte wertvolle Ballaststoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe.
Beispiel: 100 g ungesüßtes Apfelmus (Mark) enthält ca. 9 –11 g natürlicher Zucker. 100 g gesüßtes Apfelmus dagegen ca. 15 -16 g Zucker. Ungesüßtes Apfelmus enthält außerdem: Ballaststoffe, Vitamin C, Kalium, sekundäre Pflanzenstoffe und liefert Volumen, Feuchtigkeit und Süße – ohne zugesetzten Zucker.
Im Vergleich dazu: 100 g Haushaltszucker ist 100 g Zucker pur, ohne Nährstoffe oder Ballaststoffe, besitzt keine sättigende Wirkung, keine Vitamine und keinen Zusatznutzen.
Tipp: Die Zugabe von pürierten Datteln in ein Müsli oder in Kuchenrezepten kann den Zuckeranteil deutlich verringern und gleichzeitig eine natürliche Süße bieten.
Achten Sie bei der Dessertauswahl auf Obstdesserts. Ein Schichtdessert mit Obst, ein Obstsalat oder ein saisonaler Obstkuchen sind gesündere Alternativen zu Götterspeise oder Schokoladenkuchen.
c) Setzen Sie Zuckeraustauschstoffe ein
Zuckeralternativen können eine Option sein, wenn sie akzeptiert oder gewünscht werden. Beispiele hierfür sind z.B. Stevia, Erythrit oder Xylit, die jedoch mit Bedacht eingesetzt werden sollten, da sie bei übermäßigem Konsum abführend wirken können. Sie haben weniger Kalorien und führen zu einer geringeren glykämischen Reaktion. Stevia hat im Vergleich nahezu keine Kalorien. Im Vordergrund sollte jedoch immer die reine Zuckerreduktion stehen. Für Kinder werden Süßungsmittel nicht empfohlen.
3. Verwendung von gesünderen Fettquellen
- Lebensmittel mit einem niedrigen Fettgehalt wählen.
- Nach Rezepturen kochen: Eine kleine Kelle Öl oder eine große Kelle Öl kann einen Kalorienunterschied von bis zu mehreren hundert Kilokalorien machen.
- Wählen Sie nicht nur fettbasierte Aufstriche! Als Aufstrich kann z. B. Frischkäse statt Butter und ein Linsenaufstrich statt Leberwurst verwendet werden.
- Es muss nicht immer weniger Fett sein – auch gesündere Fettquellen machen einen ernährungsphysiologischen Unterschied:
- Wählen Sie Rapsöl statt Sonnenblumenöl.
- Vermeiden Sie gehärtete Fette.
- Bringen Sie Variation in Ihre Salatdressings: Verschiedene Nussöle oder Nussmuse verbessern nicht nur den Geschmack, sondern sorgen für Vielfalt im Angebot und liefern gesunde Fettsäuren.
- Fisch muss nicht immer paniert und frittiert sein, um gut zu schmecken. Auch gebratener oder gedämpfter Fisch kann den Speiseplan bereichern.
- Soßen müssen nicht hauptsächlich aus Sahne bestehen. Eine Gemüsesoße oder Hülsenfruchtsoße kann eine gute Alternative sein. Tierische Sahne kann ab und zu durch pflanzliche Varianten z. B. Hafersahne ersetzt werden.
- Auch Nüsse, z. B. eingeweichte Cashewkerne, können eine cremige Soße mit gesunden Fettsäuren ergeben.
- Generell sollten Samen, Kerne und Nüsse in den Speiseplan integriert werden. Sei es als Mus unter einem Getreidebrei, als Topping auf einem pflanzlichen Auflauf, als Panade oder als Zugabe über einen Salat.
4. Verwendung pflanzlicher Fleischalternativen
- Gerade selbst hergestellte pflanzliche Fleischalternativen sind oft eine gesündere Alternative zu tierischen Produkten, da die Hauptbestandteile für Frikadellen oder Bolognese aus Hülsenfrüchten oder Getreidesorten bestehen, die von Natur aus oft schon kaum gesättigte Fette enthalten.
- Auch Tofu, Tempeh und Seitan kann man als pflanzliche Alternativen nutzen, da sie durch ihren hohen Eiweißanteil zwar den Nährstoffbedarf decken, aber weniger Fett enthalten.
- Vorsicht: Stark verarbeitete Ersatzprodukte können ebenfalls viel Fett, Salz und Zucker enthalten. Sowohl für Fleisch als auch für Fleischersatzprodukte gilt: Je weniger verarbeitet, desto besser.
Beispiel: Ein pflanzlicher Burger auf Basis von Linsen oder Quinoa anstelle eines klassischen Fleischburgers reduziert den Fett- und Kaloriengehalt und erhöht gleichzeitig den Ballaststoffgehalt.
Das Wissen auf einen Blick:
- Die Reduktion von Salz, Zucker und Fett in der Gemeinschaftsverpflegung kann durch innovative Ansätze – und das ohne Einbußen bei der Akzeptanz – erreicht werden, z.B. durch:
- den Einsatz natürlicher Aromen,
- gesündere Zubereitungstechniken und
- die Verwendung funktioneller Lebensmittel
- Drehen Sie an den genannten Stellschrauben, ohne die Veränderungen offen zu kommunizieren, und beobachten Sie, ob sie von den Gästen überhaupt wahrgenommen werden.
- Oft ist es sinnvoll, zunächst den Zucker- oder Salzgehalt zu reduzieren, etwa 3–4 Monate abzuwarten und anschließend den Anteil erneut zu senken. So kann die Geschmackssensitivität trainiert werden und die Veränderung bleibt möglichst unauffällig.
Expertin für Ernährung
- Unterstützung bei der Umsetzung der aktuellen Qualitätsstandards benötigen.
- eine Ansprechpartnerin zur Sozialverpflegung im Bereich Kitas und Schulen suchen.
- sich zu individuellen Bedürfnissen bei Allergien und Nahrungsmittelintoleranzen beraten lassen möchten.
- Ihr vegetarisches und veganes Angebot ausbauen wollen.